Neue Abstimmung über Torlinientechnik: Deutsche Vorrevolution

Mehr Technik soll helfen: Mit der Aussicht auf die Einführung des Videoschiedsrichters will man diesmal die Vereine überzeugen.

Nie wieder Wembley: Schiedsrichter sollen technisch umfassend unterstützt werden Bild: dpa

Niederlagen drohen dem FC Bayern München derzeit nicht sehr oft, aber am heutigen Donnerstag könnte dem im Moment sportlich so unnahbaren Klub tatsächlich mal wieder die Rolle des Unterlegenen blühen. Obwohl die 36 deutschen Profiklubs erst im März klar gegen die Einführung der bei der WM erprobten Torlinientechnik in der Ersten und Zweiten Bundesliga votierten, haben die Münchner im Sommer eine neue Abstimmung zu diesem Thema beantragt.

Diesmal zwar ohne die Zweitligisten, dennoch bleibt unklar, ob sich bei der Abstimmung am heutigen Donnerstag statt der nur neun Befürworter aus dem März jetzt die erforderliche Zweidrittelmehrheit unter den 18 Bundesligisten findet.

Laut einer Umfrage des Sport-Informations-Dienstes (SID) werden lediglich zehn Vereine sicher für die Technik stimmen. Wobei die Präsentation von Andreas Rettig, dem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), und die anschließende Diskussion auf der Mitgliederversammlung einige Klubvertreter noch umstimmen könnte. Seit März hat sich nämlich einiges geändert: Zum einen wurde die Technik erfolgreich bei der WM eingesetzt, vor allem aber gibt es die Aussicht auf mehr als nur Klarheit in den seltenen Fällen, in denen niemand erkennen konnte, ob ein Ball die Linie überschritten hat oder nicht.

Technische Aufrüstung als Schiedsrichterhilfe

Viele Klubs teilen die Ansicht des Schalker Managers Horst Heldt, der sagt, wenn technische Hilfen für die Unparteiischen eingeführt werden, dann „sollte es gleich den Videobeweis geben, alles andere ist inkonsequent“. Nun scheint erstmals genau diese Option möglich. Sogar Sepp Blatter, der Präsident des Weltverbandes Fifa, zeigt sich neuerdings offen gegenüber so einer Technik.

„Das könnte letztlich für den einen oder anderen Klubvertreter schon ein Argument sein zu sagen: Jawohl, wir fangen mit der Torlinientechnik an“, sagt Rettig. Denn eine umfassende technische Schiedsrichterhilfe wie den Videoschiedsrichter sieht „der überwiegende Teil der sportlich Verantwortlichen positiv“, glaubt der Funktionär.

Als Referenz dient Rettig ein holländisches Pilotprojekt, das nun schon im zweiten Jahr läuft. In einem mit Technik vollgestopften Kleintransporter, der vor ausgewählten Stadien steht, sitzen ausgebildete Schiedsrichter vor einer Wand mit Bildschirmen, auf denen sie das Fußballspiel verfolgen und Zugriff auf alle wichtigen Kameras haben. „Auf Knopfdruck“ sei es möglich, „jede Spielszene aus acht, neun Perspektiven zu analysieren“, erklärt Rettig. Wenn der Videoschiedsrichter dann eine Fehlentscheidung identifiziert, würde er das dem Kollegen auf dem Rasen über eine Funkverbindung mitteilen.

Lobbyarbeit mit Glaubwürdigkeitsproblem

Eine Auswertung der holländischen Versuchsanordnung ergab, dass es pro Spiel etwa drei bis vier Situationen gibt, die so eine Unterstützung erforderlich machen. Wobei es natürlich weiterhin Fehlentscheidungen geben wird. Entweder weil der Videoschiedsrichter nicht zu einer klaren Erkenntnis kommt oder weil eine Korrektur nicht mehr möglich ist, etwa wenn fälschlicherweise auf Abseits entschieden wurde. Aber die zwei bis vier Fälle pro Spiel, in denen dieses Verfahren für Gerechtigkeit sorgen könnte, sind für die meisten Klubvertreter schon erheblich interessanter als die Torlinientechnik.

Rettig ist als Mitglied einer Expertengruppe, die das International Football Association Board (Ifab) berät, zu einem wichtigen Lobbyisten für die Einführung des Videoschiedsrichters avanciert. Denn das Ifab entscheidet über alle Regeländerungen, und ohne das Einverständnis dieser Instanz, in der vier Vertreter des Weltverbandes Fifa und jeweils ein Repräsentant aus Wales, Schottland, England und Nordirland sitzen, wird der Videoschiedsrichter eine Utopie bleiben.

Allerdings hat die Lobbyarbeit von Rettig ohne die Einführung der Torlinientechnik in der Bundesliga ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn als Vertreter einer Liga, die die bereits erprobte und erlaubte Schiedsrichterunterstützung ablehnt, kann er kaum seriös auf eine echte Revolution des Spiels drängen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.