Nervengift im Fall Skripal: Kein Beweis für russischen Ursprung

Noch ist die Herkunft des Stoffes nicht bewiesen, mit dem der Ex-Agent vergiftet wurde. Das sagen Forscher des britischen Verteidigungsministeriums.

Ein Polizist an einer Absperrung

Der ehemalige Doppelagent Skripal und seine Tochter wurden in Salisbury vergiftet Foto: ap

LONDON/MOSKAU rtr/dpa/ap | Das Forschungszentrum des britischen Verteidigungsministeriums hat nach eigenen Angaben bislang keine Beweise dafür gefunden, dass das bei dem Anschlag auf einen russischen Ex-Doppelagenten verwendete Nervengift in Russland hergestellt wurde. „Wir haben seinen genauen Ursprung nicht identifiziert“, sagte der Leiter des Militärlabors Porton Down, Gary Aitkenhead, am Dienstag dem Sender Sky News. Die Wissenschaftler hätten aber festgestellt, dass es sich um das Präparat Nowitschok gehandelt habe, ein zur militärischen Verwendung gedachtes Nervengift. Sie hätten ihre Informationen an die Regierung weitergegeben, die dann „unter Verwendung anderer Quellen die Schlussfolgerungen zusammensetzte, zu denen man gelangte“.

Nowitschok wurde vom sowjetischen Militär in den 1970er und 80er Jahren entwickelt. Die britische Regierung wirft Präsident Wladimir Putin vor, hinter dem Anschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter am 4. März im englischen Salisbury zu stecken. Russland weist dies zurück.

Der russische Geheimdienst sieht die Verantwortung für den Giftanschlag stattdessen in Großbritannien und den USA. Der Angriff auf Skripal und seine Tochter Julia sei eine „groteske Provokation“, die von den britischen und amerikanischen Geheimdiensten inszeniert worden sei, sagte der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, Sergej Narischkin, am Mittwoch. Das Vorgehen der USA gleiche demjenigen während des Kalten Krieges, sagte er auf einer internationalen Sicherheitskonferenz, die vom russischen Verteidigungsministerium organisiert worden war.

Der Anschlag hat die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zusätzlich massiv belastet. So wiesen westliche Staaten etwa 130 russische Diplomaten aus. Auch Deutschland beteiligte sich an dem Vorgehen, was jedoch nach den Äußerungen des britischen Forschers infrage gezogen wurde. Auf der Twitter-Seite von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) etwa war zu lesen: „Wenn man fast alle NATO-Staaten zur Solidarität zwingt, sollte man dann nicht sichere Belege haben? Man kann zu Russland stehen wie man will, aber ich habe im Studium des Völkerrechts einen anderen Umgang der Staaten gelernt.“

Gift ist schwer herzustellen

Gary Aitkenhead betonte, Nowitschok sei nur sehr schwer herzustellen. „Dazu hat nur ein staatlicher Akteur die Fähigkeiten.“ Sein Labor arbeite weiter daran, zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, um die Herkunft genauer bestimmen zu können. „Aber bis jetzt waren wir dazu nicht in der Lage.“

Die britische Regierung verfüge über zusätzliche Informationen, mit denen sich die Herkunft des Nervengifts bestimmen lasse, sagte Aitkenhead. Einige davon stammen von den Geheimdiensten. Zudem sei bekannt, dass Russland in den vergangenen Jahren untersucht habe, wie sich Nervengift vermutlich für Attentate verwenden lasse. „Und als Teil dieses Programms wurden kleine Nowitschok-Mengen hergestellt und gelagert.“ Auch wisse man von Attentaten im Auftrag des russischen Staats. Hinzu komme die Einschätzung, dass Russland ehemalige Geheimdienstoffiziere als Ziele betrachte. Aitkenhead wies zugleich russische Andeutungen zurück, wonach das Gift auch aus dem nur elf Kilometer vom Tatort entfernten Labor selbst stammen könnte.

Skripals Zustand ist stabil, aber nach wie vor kritisch. Seine Tochter Julia befindet sich auf dem Weg der Besserung nach drei Wochen in kritischem Zustand.

Der Exekutivrat der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) berät an diesem Mittwoch in Den Haag. Der Streit steht im Mittelpunkt einer Sondersitzung, die Russland beantragt hat. Dem Gremium gehören Diplomaten aus 41 Ländern an, darunter die USA, Russland, Großbritannien und Deutschland.

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