Nach der Wahl in Frankreich: Ein großes Durcheinander

Der Wahlsieg von Emmanuel Macron hat Schockwellen ausgelöst. Die politische Landschaft steht vor dem Umbruch.

Eine Frau wirft einen Luftkuss

Marion Maréchal-Le Pen will sich aus der Politik zurückziehen Foto: reuters

PARIS taz | Wie erwartet hat der Erfolg von Emmanuel Macron und seiner Bewegung „En marche!“ die traditionellen Parteien in eine Krise gebracht. Die Niederlage ist nicht für alle gleich schmerzlich und folgenreich, aber alle müssen jetzt Bilanz ziehen, um sich vor den Parlamentswahlen Mitte Juni neu auszurichten oder sich zu reorganisieren. Vor allem bei den Sozialisten und im Front National (FN) hat die Stunde der internen Abrechnungen geschlagen. Für einige scheint der Zeitpunkt gekommen, die eigenen Karrierepläne zu überdenken.

So hat jetzt Marion Maréchal-Le Pen angekündigt, sie wolle sich aus der Politik zurückziehen, um sich ganz ihrer Familie und beruflichen Interessen zu widmen. Sie war eine der beiden Abgeordneten des FN in der Nationalversammlung. Sie will also ihren Sitz an der Côte d’Azur nicht verteidigen, obwohl der FN bei den Präsidentschaftswahlen gerade in dieser Region beste Aussichten auf zahlreiche Mandatsgewinne hat.

Die erst 27-jährige Juristin hat aus ihren strategischen Divergenzen zur Parteispitze nie ein Geheimnis gemacht. So war sie gegen den von der Parteispitze beschlossenen Ausschluss ihres Großvaters Jean-Marie Le Pen. Sie vertritt mehr eine wirtschaftsliberale Linie und äußerte ihre Skepsis bezüglich eines Austritts aus dem Euro-Club, zugleich steht sie rechtsradikalen Kreisen wie dem „Bloc identitaire“ nahe. Sie plädierte für traditionelle religiöse Werte und war im Unterschied zu ihrer Tante und Parteichefin sehr in der Bewegung gegen die Homoehe engagiert. Ihr Rückzug wird darum als Protest gegen eine politische (Neu-)Ausrichtung des FN unter ihrer Tante interpretiert.

Bisher bleibt Marine Le Pen in den Kontroversen hinter verschlossenen Türen allerdings ausgespart. Der Vize-Parteivorsitzende Florian Philippot dagegen steht im Kreuzfeuer der Kritik. Als Chefideologe und -berater wird er für taktische Fehler in der Kampagne und namentlich beim völlig verpatzten Fernsehduell vor der Stichwahl verantwortlich gemacht. Marine Le Pen hat andere Schlüsse gezogen, sie will den FN mit einer „patriotischen Allianz“ erweitern und umbenennen. Damit hat sie bisher den Zorn ihres Vaters auf sich gezogen, der sein politisches Erbe in Gefahr sieht.

Nur eine Hochzeit

Der Parti Socialiste (PS) dagegen steht kurz vor der Implosion oder einer Spaltung. Der rechte Parteiflügel hatte dem offiziellen Kandidaten Benoît Hamon die Unterstützung versagt und von Beginn an auf den Sozialliberalen Macron gesetzt. Hamon macht jetzt diese Überläufer für sein schlechtes Abschneiden verantwortlich. Er zieht aber andere Lehren aus seiner Schlappe, die seine Partei in eine Existenzkrise gestürzt hat. Am Mittwoch hat er angekündigt, eine parteiübergreifende Bewegung zu gründen. Ein wenig wie „En marche!“ oder „La France insoumise“ von Jean-Luc Mélenchon? Das Organisationsmodell der politischen Partei scheint in Frankreich nach Macron überholt zu sein.

Diese Krise der bisherigen Parteien äußert sich auch in individuellen Abgängen. Der frühere Premier Manuel Valls hat erklärt, als Abgeordneter für Macrons Bewegung antreten zu wollen. Für ihn ist der PS „politisch tot“. Der „Kadaver“ regt sich aber noch: Valls wird als „Opportunist“ beschimpft. Parteichef Jean-Christophe Cambadélis droht ihm mit Ausschluss und hat klargestellt, Valls könne nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Eine Doppelmitgliedschaft bei PS und Macrons Bewegung, die jetzt „République en marche“ (REM) heißt, sei nicht möglich. Das wird weder Valls noch andere Exsozialisten davon abhalten, zu Macron zu wechseln.

Macron will nicht die Karriere von abgehalfterten Politikern retten

Sie müssen aber damit rechnen, vor verschlossenen Türen zu stehen. Macron will eine Erneuerung der Politik und nicht die Karriere von abgehalfterten Politikern von links und rechts retten. Mindestens die Hälfte seiner 577 Kandidaten und Kandidatinnen sollen darum Neulinge sein, die bisher kein Mandat innehaben. Außerdem ist die Prozedur der Nominierung praktisch abgeschlossen. Die Liste wird am Donnerstag veröffentlicht. Während Wochen konnten sich die Bewerber für eine Kandidatur per Internet einschreiben. Eine Kommission hat seither rund 15.000 Dossiers geprüft, um die Anwärter und Anwärterinnen auszuwählen.

Eine Extrawurst für Valls und andere Konvertiten aus anderen Parteien ist nicht vorgesehen. „Die Prozedur ist für alle dieselbe, das gilt auch für einen Expremierminister“, teilte Macrons Sprecher Benjamin Griveaux trocken mit. Wenn Valls dachte, er werde von seinem Exwirtschaftsminister Macron mit offen Armen empfangen, hat er sich wohl getäuscht. Er kommt also schlicht zu spät.

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