Nach der Parlamentswahl: Ausschreitungen in Jordanien

Im neuen jordanischen Parlament haben die Königstreuen fast alle Sitze gewonnen. Im Süden des Landes kam es zu Protesten wegen vermeintlicher Wahlfäschung.

Ging hier alles mit rechten Dingen zu? Nicht alle sind dieser Meinung. Bild: dapd

AMMAN dpa | Nach der Bekanntgabe der ersten offiziellen Ergebnisse der Parlamentswahl ist es in Jordanien zu Ausschreitungen gekommen. Polizisten und Augenzeugen berichteten, in der südlichen Stadt Maan hätten am Donnerstag Dutzende von Männern Schulen, Banken und Regierungsgebäude gestürmt. Sie riefen „Wahlfälschung“ und „Das Volk will den Sturz des Regimes“. In Mafrak im Norden blockierten Unterstützer rivalisierender Kandidaten mehrere Straßen mit brennenden Autoreifen.

Zuvor hatte die Wahlkommission die Namen der Gewinner von 123 der insgesamt 150 Abgeordnetenmandate bekanntgegeben. Die meisten von ihnen sind Loyalisten, die der Linie von König Abdullah II. folgen. Die größte Partei des Landes, die von der oppositionellen Muslimbruderschaft gegründete Islamische Aktionsfront, nahm allerdings nicht an der Wahl teil.

Die Muslimbruderschaft warf der Wahlkommission eine Beschönigung der Zahlen vor sprach von einer deutlich geringeren Beteiligung. Außerdem beklagte sie Wahlrechtsverstöße, etwa das massive Aufgebot an Sicherheitskräften in einigen Orten oder den versuchten Kauf von Wählerstimmen, jedoch ohne konkrete Beiweise dafür vorzulegen.

Nach offiziellen Angaben waren am Mittwoch trotz des Boykottaufrufs 56,7 Prozent der rund 2,3 Millionen registrierten Wähler zu den Urnen gegangen. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass sich rund 700 000 Wahlberechtigte für diesen Urnengang gar nicht hatten registrieren lassen, lag die Wahlbeteiligung insgesamt nur bei rund 43 Prozent. Die noch ausstehenden Ergebnisse sollten am Donnerstagabend verkündet werden.

Volksvertreter dürfen ein bisschen mitbestimmen

Für König Abdullah II. ist die erste Wahl seit den arabischen Massenerhebungen vor zwei Jahren ein wichtiger Reformschritt. Denn auch in Jordanien hatte es Proteste gegen das Herrscherhaus gegeben. Nun will der König den Volksvertretern etwas mehr Einfluss geben und dadurch seine Macht sichern. Die Abgeordneten haben künftig das Recht, den Regierungschef und die Mitglieder seines Kabinetts zu bestimmen. Allerdings soll dies „in Abstimmung“ mit dem Herrscher geschehen, der bislang alleine den Ministerpräsidenten ausgewählt hatte.

Der Muslimbruderschaft ging dieses Angebot nicht weit genug. Sie begründet ihren Boykott damit, dass die Königstreuen durch das Wahlgesetz im Vorteil seien. Außerdem fordert sie eine Verfassungsänderung, die dem Parlament noch weitere Kompetenzen einräumt. Trotz aller Streitereien hatten sich von den etwa 3 Millionen Wahlberechtigten rund 2,3 Millionen für die vorgezogenen Neuwahlen registrieren lassen.

Beobachter gehen nicht davon aus, dass die Wahl die politische Situation in Jordanien entscheidend verändern wird. Da die wichtigste Oppositionskraft nicht unter den Abgeordneten vertreten sein wird, hat das neue Parlament außerdem schon jetzt an Legitimität verloren. Und auch künftig wird der König des 6,5-Millionen-Einwohner-Landes Regierungen abberufen und Parlamente auflösen können.

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