Nach Protesten in der Türkei: Vorwurf des „virtuellen Terrorismus“

Die türkische Gruppe „RedHack“ wird von den Behörden verfolgt, weil sie online zu Straftaten aufgerufen habe. Indes soll es weitere Festnahmen gegeben haben.

Demonstration in Istanbul vergangenes Wochenende. Bild: ap

ISTANBUL dpa/taz | Nach den Protesten in der Türkei wollen die Behörden einem Zeitungsbericht zufolge eine örtliche Gruppe von Netzaktivisten wegen „virtuellem Terrorismus“ verfolgen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die linke Gruppe RedHack via Twitter zu Protesten und Straftaten aufgerufen habe, berichtete die Zeitung Sabah unter Berufung auf entsprechende offizielle Unterlagen. RedHack-Angehörige, deren IP-Adressen und Identitäten ermittelt würden, würden wegen „virtuellem Terrorismus“ belangt werden.

Da die türkischen Massenmedien lediglich äußerst zurückhaltend über die regierungsfeindlichen Proteste berichteten, wurden Nachrichten darüber vor allem über soziale Medien wie Twitter verbreitet. Die Regierung hat angekündigt, Twitter-Botschaften nach provokativen Aufrufen zu durchkämmen und die Urheber strafrechtlich zu verfolgen.

RedHack hatte zu Protesten aufgerufen. Die anonyme Gruppe soll in den vergangenen Wochen außerdem die Webseite der Religionsbehörde und eine Datenbank der Istanbuler Verwaltung angegriffen haben. Dort soll sie Strom- und Telefonrechnungen öffentlicher Einrichtungen gelöscht und Konten für nicht existente Institutionen angelegt haben, die sie nach den Toten der Proteste benannte. RedHack nutzt als Symbol wahlweise Hammer und Sichel oder Keyboard und Sichel. Die Gruppe bezeichnet sich als „Stimme der Unterdrückten“.

Die Zeitung Hürriyet Daily News berichtete am Freitag über eine dritte Welle von Festnahmen wegen der Proteste. Vor allem in Izmir, aber auch in den Städten Istanbul, Manisa und Batman habe es Razzien gegeben. Sicherheitskräfte hätten 15 Menschen festgenommen. Ihnen werde vorgeworfen, Molotow-Cocktails geworfen und Privateigentum beschädigt zu haben. Die landesweiten Proteste begannen Ende Mai. Sie sind in den vergangenen Tagen abgeflaut.

Aufruf deutscher Künstler

Künstler aus Deutschland haben in einem Aufruf die türkische Regierung aufgefordert, Anfeindungen gegen Kulturschaffende in dem Land zu stoppen. „Offensichtlich hat sich in der Türkei wieder ein Klima der Denunziation und des Hasses gegen Kreative breit gemacht, das längst überwunden schien“, heißt es in dem Schreiben, das Grünen-Chefin Claudia Roth, der Autor Moritz Rinke und die Theater-Intendantin Shermin Langhoff initiiert haben.

Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem der Schauspieler Mario Adorf, der Musiker Jan Delay, die Schauspielerinnen Jasmin Tabatabai und Sibel Kekilli sowie Co-Grünen-Chef Cem Özdemir. „Wenn Künstler, wie der Theaterregisseur Mehmet Ali Alabora von regierungsnahen Stellen in einer Weise diffamiert werden, die einem Aufruf zur Lynchjustiz nahekommt, (...) ist die Freiheit von Kunst und Kultur in Gefahr“, so die Unterzeichner. Bestürzt hätten sie einen entsprechenden Aufruf in der Türkei zur Kenntnis genommen. Für weitere Unterschriften hat Roth den Brief im Internet veröffentlicht.

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