Nach Preisverleihung an Antisemiten: „Echo hat keine Berechtigung mehr“

Der Echo für die Rapper Kollegah und Farid Bang hat Empörung ausgelöst. Nun will nicht nur der Bundesverband Musikindustrie Konsequenzen ziehen.

Kollegah mit falschrum aufgesetztem Käppi

Hat Kollegah jetzt nicht nur den Preis, sondern auch gleich den Echo als Institution abgeräumt? Foto: dpa

BERLIN epd/dpa | Der ARD-Koordinator für Unterhaltung, Thomas Schreiber, sieht den Echo-Musikpreis am Ende. „Die Musikindustrie steckt den Kopf in den Sand, hofft, das Ungemach zieht vorüber, und lernt nichts“, schrieb Schreiber in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung Die Welt. „Dabei gibt es nur eine sinnvolle Reaktion: eine Entschuldigung und die Erkenntnis, dass dieser Echo keine Berechtigung mehr hat: weder inhaltlich noch moralisch.“

Es sei beschämend und schamlos, dass sich die deutsche Musikindustrie in einer Live-Übertragung im deutschen Fernsehen am Gedenktag der Opfer des Holocaust auf diese Weise feiere. Es habe gleich ein dreifaches Versagen beim Echo Pop 2018 gegeben, „die Nominierung der beiden Ekelrapper Kollegah und Farid Bang, der sinn- und geschmacksfreie Auftritt dieser beiden am Ende der Show, die Sprachlosigkeit der Verantwortlichen“.

Außer dem Sänger Campino habe niemand in der Sendung etwas zum Echo für Kollegah und Farid Bang sowie zu deren Aufritt gesagt. Auch die Vorstände des Bundesverbandes Musikindustrie hätten sich nicht zu Wort zu gemeldet, kritisierte Schreiber.

Der meldete sich im Nachhinein: „Als Konsequenz (…) wird der Preis auf Entscheidung des Vorstandes vom heutigen Tag nun überarbeitet werden“, erklärte Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie), am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Das schließe die „umfassende Analyse und die Erneuerung der mit der Nominierung und Preisvergabe zusammenhängenden Mechanismen“ ein. Details nannte Drücke noch nicht.

Schreiber war selbst wegen Xavier Naidoo in der Kritik

Kollegah und Farid Bang waren am Donnerstagabend für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet worden. Es enthält die Textzeilen „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal ‚nen Holocaust, komm‘ an mit dem Molotow“. Die Echo-Verleihung an die Rapper war daraufhin auf viel Kritik gestoßen. Die Preisverleihung wurde vom Privatsender Vox übertragen.

Schreiber, der auch Programmbereichsleiter beim NDR ist, war 2015 in die Kritik geraten für die Entscheidung, Xavier Naidoo ohne den sonst üblichen Vorentscheid als deutschen Vertreter zum ESC 2016 in Stockholm zu nominieren. Dem Sänger werden Rechtspopulismus, Homophobie und Antisemitismus vorgeworfen. Die Entscheidung zur Nominierung Naidoos wurde vom NDR nach einer Welle der Kritik zurückgezogen.

Die Verleihung der Echo-Trophäen richtet sich in den meisten Kategorien nach dem Ergebnis der Verkäufe und einer darauf folgenden Juryabstimmung. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text „nicht so wesentlich übertreten“, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) erklärte, das Album der Rapper stehe bei dem Sender auf dem Index. Demnach wird in den WDR-Radioprogrammen – auch im Jugendradio 1Live – keine Musik daraus gespielt. Dies habe schon vor der Echo-Verleihung gegolten, sagte eine WDR-Sprecherin am Sonntag und bestätigte damit einen Bericht des Handelsblatt.

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) nahm die Gesellschaft und die Musikindustrie in die Pflicht. „Der eine Satz der Rapper, der jetzt überall zitiert wird, ist krass und dumm“, sagte er auf einem Parteitag in Berlin. Dass die beiden Rapper aber ein Weltbild transportierten, das vor Verschwörungstheorien, Sexismus und Ungleichheitsvorstellungen nur so triefe, und dass sich das offenbar prächtig kommerzialisieren lasse, dem werde „weder in der Musikindustrie aber auch im öffentlichen Diskurs“ begegnet. „Sondern wir erleben massive Ignoranz. Das ist ein Zeitgeistproblem“, sagte Lederer.

Oliver Polak

„Menschen wie Kollegah sind der Grund dafür, dass jüdische Jugendliche auf Schulhöfen gejagt und krankenhausreif geschlagen werden. Dafür, dass sie in Angst leben müssen. Und ihr schaut stillschweigend zu, auch beim Echo, beim Begräbnis der Moral“

Der jüdische Comedian Oliver Polak schrieb in der Welt: „Ich weiß, was Satire ist, ich weiß, was Stand-up ist, und ich verstehe auch die künstlerische Funktionsweise von Battle-Rap. Ich weiß auch, was Antisemitismus ist, das Protegieren von Judenhass. Dass der Echo diese beiden „Künstler“ am Holocaustgedenktag auftreten lässt, ist an Zynismus und Rohheit nicht zu übertreffen.“ Es sei eine makabre Doppelmoral, sich von den Inhalten zu distanzieren und diese gleichzeitig live und zur Primetime ausstrahlen zu wollen.

Polak weiter: „Menschen wie Kollegah sind der Grund dafür, dass jüdische Jugendliche auf Schulhöfen gejagt und krankenhausreif geschlagen werden. Dafür, dass sie in Angst leben müssen. Und ihr schaut stillschweigend zu, auch beim Echo, beim Begräbnis der Moral.“

Der Sender Vox, der die Preisverleihung ausgestrahlt hatte, verwies erneut auf die Einschätzung des Echo-Beirats, ein Ausschluss der Rapper sei nicht gerechtfertigt gewesen. „Diese Entscheidung akzeptieren wir“, erklärte der Sender auf Anfrage. „Und da es aufgrund der Entscheidung des Beirats keine Grundlage dafür gab, die beiden nicht auftreten zu lassen, haben wir den Auftritt auch ausgestrahlt.“ Ob Vox nächstes Jahr wieder die Show übertragen wird, ist noch offen. Die Entscheidung werde noch eine Weile dauern.

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