Nach Chemnitz und Köthen: „Die Strukturen offenlegen“

Nach Chemnitz und Köthen reagieren die Innenminister. Sie wollen prüfen, ob sich ein überregionales Netzwerk von Rechtsextremen gebildet hat.

Innenminister Holger Stahlknecht hält eine Rede

Will in Sachen Rechtsaußen nicht wieder „im Blindflug“ landen: Holger Stahlknecht Foto: dpa

BERLIN taz | Es dauerte nur wenige Stunden, da hatten sich Ende August in Chemnitz hunderte Rechte versammelt. Zuvor war ein 35-Jähriger gewaltsam zu Tode gekommen, mutmaßlich durch zwei Flüchtlinge. Auch in den Folgetagen demonstrierten Rechtsextreme aus der ganzen Republik in der sächsischen Stadt. Wenig später ähnliche Szenen in Köthen (Sachsen-Anhalt): Auch hier stirbt ein Mann, auch hier versammeln sich innerhalb kürzester Zeit Neonazis. In beiden Fällen war die Polizei überrumpelt, vor allem in Chemnitz folgten chaotische Szenen, auch gewalttätige Übergriffe.

Szenen, die sich nicht wiederholen sollen. So jedenfalls wollen es die Innenminister von Bund und Ländern, die sich ab Mittwoch in Magdeburg versammeln, zu ihrer halbjährlichen Konferenz. „Wir müssen prüfen, ob sich ein Netzwerk fremdenfeindlicher Rechtsextremisten gebildet hat, das überregional agiert“, sagt Holger Stahlknecht (CDU), Innenminister von Sachsen-Anhalt und Gastgeber der Konferenz, der taz.

„Die Mobilisierung in Köthen und Chemnitz war rasant. Und immer wieder sind es die gleichen Szeneakteure, die auftauchen“, so Stahlknecht. „Das müssen sich die Verfassungsschutzämter genauer angucken und mögliche Strukturen offenlegen.“ Ein entsprechender Beschluss soll auf der Innenministerkonferenz gefasst werden. „Gerade die Erfahrung, dass wir bei der bundesweiten NSU-Terrorserie jahrelang im Blindflug waren, darf sich nicht wiederholen“, betont Stahlknecht.

Auch Sachsen unterstützt das Vorhaben. Nicht zuletzt die Ereignisse in Chemnitz hätten gezeigt, dass gewaltbereite Extremisten heute „gut vernetzt und in der Lage sind, schnell und überregional für Versammlungen zu mobilisieren“, sagt Innenminister Roland Wöller (CDU) der taz. Die Sicherheitsbehörden müssten hier zu besseren Prognosen kommen und mehr länderübergreifend kooperieren. „Wir benötigen frühzeitig umfassende Informationen über geplante Aktionen der Extremisten, um rechtzeitig entsprechende Sicherheitsmaßnahmen einzuleiten“, so Wöller. Deshalb werde man auf der Innenministerkonferenz über ein neues Beobachtungsobjekt – ein bundesweites Netzwerk „muslim- und fremdenfeindlicher Rechtsextremisten“ – diskutieren.

Gemeinsam den Rechtsextremismus bekämpfen

Schon Anfang November hatten sich Stahlknecht, Wöller und der Thüringische Innenminister Georg Maier (SPD) getroffen und ein verstärktes Vorgehen gegen Rechtsextremisten vereinbart. Auch hier waren Anlass die Vorkommnisse in Chemnitz und Köthen. Die Ereignisse hätten verdeutlicht, dass man nur gemeinsam den Rechtsextremismus bekämpfen könne, erklärten die Minister damals.

Für die Innenministerkonferenz hat zudem Bremens Innenminister Ulrich Mäurer (SPD) angekündigt, auch über die aktuelle Rolle der „Neuen Rechten“ sprechen zu wollen – deren Vertreter ebenfalls in Chemnitz und Köthen auftauchten. Die Bewegung sei „zunehmend gefährlich“ und untergrabe systematisch die Demokratie, so Mäurer. Auch die AfD mische hier mit. „Wir haben heute tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die AfD zumindest in Teilen rechtsextremistisch ist.“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz müsse diesen Bereich „noch aktiver“ ins Visier nehmen und „zügig“ Ergebnisse liefern, fordert Mäurer.

Derzeit wertet der Bundesverfassungsschutz Material aus den Landesämtern über die AfD aus. Geprüft wird, ob die rechtspopulistische Partei künftig unter Beobachtung des Geheimdienstes genommen werden muss. Eine Entscheidung soll zum Jahreswechsel fallen.

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