Nach Brand in pakistanischer Textilfabrik: Zähflüssige Entschädigung

Ein halbes Jahr nach dem Brand in einer pakistanischen Textilfabrik sollen die Opferfamilien entschädigt werden. NGOs kritisieren die Verhandlungen als schleppend.

Die Beerdigung der letzten Opfer der Ali Enterprise - Fabrik in Karachi, Pakistan Bild: ap/dpa

BERLIN taz | Ein halbes Jahr nach dem verheerenden Fabrikbrand in Pakistan ist eine Einigung zwischen dem deutschen Textildiscounter KiK, der in der Fabrik produzieren ließ, und den Angehörigen der knapp 300 Todesopfer in Sicht. Der Konzern hat den Opfern 1 Million US-Dollar für Entschädigungszahlungen zugesichert, die in einem Fonds auf Auszahlung warten. Eine unabhängige Kommission in Zusammenarbeit mit der pakistanischen Nichtregierungsorganisation Piler soll die Gelder nun an die Familien verteilen.

Trotz der Fortschritte bei den Gesprächen über eine Entschädigung kritisiert die Clean Clothes Campaign (CCC) in ihrem Bericht „Fatal Fashion“, der der taz in einer Vorversion vorliegt, ein schleppendes Vorgehen in Bezug auf Entschädigungszahlungen und auf Verbesserungen der Sicherheitsstandards pakistanischer Textilfabriken. Laut dem Bericht hat es sich nicht um einen Einzelfall gehandelt. Vielmehr kam es allein seit vergangenem November zu vielen weiteren Fabrikbränden - sowohl in Pakistan, als auch in Bangladesh.

In der Fabrik „Ali Entreprise“ in Karachi, Pakistan, war am 12. September 2012 ein Feuer ausgebrochen. Laut Berichten einiger Überlebender war die einzige Tür – und damit der Notausgang – verriegelt. Die Fenster waren mit Eisenstangen vergittert, die Treppen mit Waren verstopft. Die Regierung hat die offizielle Zahl der Todesopfer auf 262 beziffert.

Nur ein Viertel mit Arbeitsvertrag

KiK war nach eigenen Angaben Hauptabnehmer der Fabrik. Bei der Entschädigung sollen nun vorrangig Familien berücksichtigt werden, die bislang keine staatlichen Zahlungen erhalten haben. Denn viele der Angehörigen scheiterten mit ihren Forderungen, da sie keinen Leichenschein vorweisen konnten. Der Anspruch ist auch sonst schwierig zu regeln: Nur 410 der insgesamt 1.500 bis 2.000 Arbeiter hatten einen Arbeitsvertrag, 190 waren bei einer Sozialversicherung registriert.

Piler begrüßt die Einrichtung der Kommission als historischen Schritt. „Er wird richtungsweisend sein bei der Klärung von Entschädigungsansprüchen in der Zukunft“, sagt Geschäftsführer Ali Karamat. Berndt Hinzmann vom ökumenischen Inkota-Netzwerk kritisiert die Verhandlungen mit KiK jedoch als sehr „zähflüssig“. Ein Hauptgrund für das Einlenken des Unternehmens sei der Druck durch Eilaktionen wie Unterschriftensammlungen.

Hinter Vorfällen wie dem Großbrand sieht er ein strukturelles Problem. Zwar haben viele der internationalen Firmen, die in Billiglohnländern wie Pakistan produzieren lassen, einen Unternehmenskodex, der auch für die Lieferanten gelten soll. Die Einhaltung des Kodex wird meist über Verfahren von Überwachungen und Zertifizierungen geregelt. Aber: „Zertifizierungsmodelle sind keine Problemlösung“, sagt Hinzmann.

Auch die CCC kritisiert, dass der Ali Enterprise Fabrik noch 15 Tage vor dem Brand ein Zertifikat ausgestellt wurde – unterschrieben von der italienische Firma Rina. Darin wurde bestätigt, dass Feuerlöscher vorhanden und die Mitarbeiter im Umgang mit Gefahrensituationen geschult worden seien. Die CCC berichtet jedoch über Arbeiter, die nicht wussten, wie Feuerlöscher zu benutzen sind und angaben, noch nie an einem Sicherheitstraining teilgenommen zu haben.

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