Nach Angriff auf Krankenhaus in Kundus: Obama spricht von „Tragödie“

22 Menschen starben bei dem Beschuss einer Klinik im afghanischen Kundus. Die USA, die mutmaßlich dafür verantwortlich sind, versprechen Aufklärung.

Ein zerstörtes Gebäude ist zu sehen, Trümmer liegen auf dem Boden

Zerstört: ein Teil der Klinik in Kundus. Foto: Msf Handout/dpa

KABUL dpa/afp/ap | Nach dem Beschuss eines Krankenhauses im nordafghanischen Kundus mit mindestens 22 Toten haben die USA eine Untersuchung des Zwischenfalls eingeleitet. „Eine volle Untersuchung des tragischen Vorfalls ist in Abstimmung mit der afghanischen Regierung im Gange“, teilte US-Verteidigungsminister Ashton Carter mit. US-Präsident Barack Obama sprach von einer „Tragödie“.

Die Einrichtung der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) wurde offenbar versehentlich von US-Bomben getroffen. Nach MSF-Angaben starben mindestens 22 Menschen. Damit sind nach dem Vorfall vom Samstag insgesamt zehn Patienten und zwölf Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen tot. Die Organisation forderte eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls.

Sie kündigte außerdem am Sonntag an, dass sie sich vorerst aus der Stadt zurückziehe. Die Klinik sei „nicht mehr nutzbar“, sagte eine Sprecherin am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Die Organisation sei nicht mehr dort tätig, dringend behandlungsbedürftige Patienten seien in andere Kliniken gebracht worden. „Ich kann derzeit nicht sagen, ob das Traumazentrum wiedereröffnet wird oder nicht“, sagte die Sprecherin.

Die Eichrichtung wird ausschließlich aus Spenden finanziert und behandelt jeden – unabhängig von Herkunft oder Religion. Sabiullah Mudschahid, Sprecher der islamistischen Taliban, sagte: „Keiner unserer Kämpfer war zum Zeitpunkt des Angriffs ein Patient der Klinik.“

„Abscheuliche Verletzung internationalen Rechts“

Seit dem überraschenden Taliban-Angriff auf Kundus am Montag versuchen Regierungstruppen mit Hilfe der Nato, die Stadt wieder komplett unter Kontrolle zu bekommen.

Ärzte ohne Grenzen verurteilte den Vorfall aufs Schärfste: „Diese Attacke ist eine abscheuliche und schwere Verletzung internationalen humanitären Rechts“, sagte MSF-Präsident Meinie Nicolai einer Mitteilung zufolge. „Wir können es nicht hinnehmen, dass dieser schreckliche Verlust von Menschenleben einfach als „Kollateralschaden“ abgetan wird.“ Alle Anzeichen deuteten darauf hin, dass die Bombardierung durch das Bündnis der internationalen Streitkräfte erfolgt sei.

US-Verteidigungsminister Carter erklärte, zum Zeitpunkt des Beschusses hätten US-Kräfte und Taliban-Kämpfer in der Nähe operiert. „Während wir noch herauszufinden versuchen, was genau passiert ist, möchte ich allen Betroffenen sagen, dass ich ihnen meine Gedanken und Gebete widme“, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung. Auch Obama bekundete den Hinterbliebenen sein Beileid. Die Ergebnisse der Untersuchung des Verteidigungsministeriums würden abgewartet, „ehe wir die Umstände dieser Tragödie abschließend beurteilen“, sagte der US-Präsident laut einer Mitteilung des Weißen Hauses.

Der Sprecher der Nato-Mission in Afghanistan, Sernando Estreooa, erklärte: “Die US-Streitkräfte haben am 3. Oktober um 2.15 Uhr Ortszeit einen Luftangriff nahe der Einrichtung durchgeführt, wo einzelne Personen die Truppen bedrohten.“ Der Sprecher der US-Streitkräfte in Afghanistan, Brian Tribus, räumte ein, dabei könnte versehentlich eine nahe gelegene medizinische Einrichtung getroffen worden sein. Der Vorfall werde untersucht.

Stoltenberg bestürzt

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drang auf eine rasche, umfassende und unvoreingenommene Untersuchung. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg drückte seine Bestürzung aus.

Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich knapp 200 Menschen in der Klinik auf. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen wurden allen Konfliktparteien die genauen Geodaten ihrer Einrichtungen vorsorglich mehrfach übermittelt, zuletzt am 29. September. Nach Beginn des Angriffs habe man zudem das amerikanische und afghanische Militär erneut kontaktiert; dennoch habe das Bombardement noch mehr als 30 Minuten angehalten.

Die Organisation veröffentlichte Bilder von der in Flammen stehenden Klinik und den massiven Schäden. Auf einem Foto kümmern sich Ärzte in einem überfüllten kleinen Raum um verletzte Patienten und Mitarbeiter. „Die Bomben schlugen ein und dann hörten wir, wie die Maschine Kreise flog“, wurde der Leiter der MSF-Mission in Nordafghanistan, Heman Nagarathnam, in einer Mitteilung zitiert. „Dann gab es eine Pause und dann schlugen noch mehr Bomben ein. Das passierte immer weiter.“

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