NSU-Ausschuss in Hessen: Grüne machen ein bisschen Druck

Die Koalitionspartei fordert jetzt doch, die Abhörprotokolle von Verfassungsschützer T. schnell zu behandeln. Der Opposition ist das nicht genug.

Halit Yozgat steht neben anderen NSU-Opfern auf einem Gedenkstein in Kassel Bild: dpa

BERLIN taz | Nach dem Bekanntwerden von Indizien dafür, dass ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz bei dem Mord an Halit Yozgat nicht zufällig privat am Tatort war, drängen nun auch die hessischen Grünen auf schnelle Aufklärung im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss. „Es hat absolute Priorität, dass dem Untersuchungsausschuss die Abhörprotokolle zur Verfügung gestellt werden, und sie müssen dann dort prioritär behandelt werden“, sagte Jürgen Frömmrich, grüner Obmann im Ausschuss, der taz.

„Dem Ausschuss müssen alle Akten zur Verfügung gestellt werden“, so Frömmrich weiter. Die Grünen, die Hessen gemeinsam mit der CDU regieren, hatten ursprünglich die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses bezweifelt und sich bei der Abstimmung zur Einsetzung enthalten.

Am Wochenende waren neue Mitschnitte der Telefonüberwachung bei Verfassungsschutz-Mitarbeiter Andreas T. bekannt geworden. Dieser hatte sich während des Mordes an Yozgat am Tatort, einem Internetcafé, aufgehalten. Zur Aufklärung einer möglichen Verstrickung war sein Telefon von der Polizei abgehört worden. Die neu bekannt gewordenen Mitschnitte werten Nebenkläger im Münchener NSU-Prozess als Indiz dafür, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes „bereits vor dem Mord an Halit Yozgat konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Tatort, dem Tatopfer und den Tätern hatten“.

Hermann Schaus, Obmann der Linken im Untersuchungsausschuss, wird konkreter als der Grüne Frömmrich. „Wirklich alle Akten“ müssten auf den Tisch, „auch die Treffberichte zwischen T. und seinen V-Leuten sowie seine Personal- und Disziplinarakte“: „Wir müssen klären, ob T. Täterwissen hatte und inwieweit sich Volker Bouffier schützend vor T. gestellt hat“, sagte Schaus der taz. Ministerpräsident Bouffier war damals Innenminister und politisch verantwortlich für den Verfassungsschutz.

Verdacht gegen Bouffier

Bislang, so Schaus, lägen den Ausschussmitgliedern noch keine hessischen Akten vor. Der CDU-Ausschussvorsitzende sichte sie derzeit und mache dem Ausschuss einen Vorschlag, welche als geheim eingestuft und damit nicht öffentlich verwendet werden dürfen. Die Entscheidung treffe dann der Untersuchungsausschuss. Schwarz-Grün hat hier eine Mehrheit.

Auch Nancy Faeser, SPD-Obfrau im Ausschuss, fordert nun neben „vollständigen Akten“ auch eine zügige Zeugenvernehmung im Ausschuss. „Die neuen Informationen werfen ein völlig neues Licht auf den Verfassungsschützer, der bislang nur privat und nicht dienstlich in dem Intenetcafé gewesen sein will“, sagte Faeser der taz. Damit stelle sich die Frage, ob die Morde an Yozgat und an der Polizistin Michèle Kiesewetter hätten verhindert werden können.

„Durch die neuen Veröffentlichungen gibt es zudem den Verdacht, dass sich Herr Bouffier viel stärker eingemischt hat als bislang bekannt“, so Faeser weiter. Die Landesregierung müsse nun ihren Aufklärungswillen mittels weitreichender Aussagegenehmigung für alle Mitarbeiter unter Beweis stellen.

Anders sieht das der Grüne Frömmig. „Ich sehe derzeit keinen Zusammenhang zu Volker Bouffier“, sagt er. „Es ist und bleibt Aufgabe des Untersuchungsausschusses, die Rolle der Behörden und auch der Aufsichtsbehörden zu untersuchen. Daraus werden wir dann Schlussfolgerungen ziehen.“

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