NSA späht die Vereinten Nationen aus: Richtmikrofone in der UNO-Stadt

Auch in Genf sollen Abhöranlagen auf dem Dach der US-Botschaft installiert sein - gegen UN-Gebäude. Das verstößt gegen sämtliche internationale Abkommen.

Die Mission der USA in Genf - auch dieses Gebäude hat verdächtige Dachaufbauten. Bild: Reuters

GENF taz | Nach den Enthüllungen über Spionagetätigkeiten von US-Geheimdiensten gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel schlägt seit Anfang dieser Woche ein Bericht des Spiegel über eine Spionageinrichtung auf dem Dach der US-Mission in der UNO-Stadt Genf in der Schweiz hohe Wellen. Dabei hatte der Spiegel bereits Ende Juni unter Berufung auf Unterlagen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden enthüllt, daß die USA in rund 80 ihrer ausländischen Botschaften und Konsulate Spionagezentralen unterhalten.

Unter anderem habe die NSA die Einrichtungen der EU in Brüssel, Washington und New York sowie die dortige UN-Zentrale gezielt ausgespäht. Legal ist das nicht: Die im Februar 1946 von der UN-Generalversammlung verabschiedete „Konvention über die Privilegien und die Immunität der UNO", regelt im Detail die „Immunität „ und die „Unverletzlichkeit" aller UN-Gebäude und UN-Diplomaten. Danach sind die Überwachung und das Ausspähen jeglicher schriftlicher, telefonischer oder sonstiger Kommunikation verboten.

Diese Bestimmungen der Konvention wurden fast wortgleich in die beiden „Sitzabkommen“ über die UN-Hauptquartiere in New York und Genf übernommen, die die UNO im April 1946 mit den USA und mit der Schweiz abschloß. Entsprechende Bestimmungen finden sich auch in den beiden „Wiener Übereinkünften“ von 1962 und 1963 zur Regelung bilateraler diplomatischer und konsularischer Beziehungen zwischen Staaten. Allerdings ist es seit Ende des Kalten Krieges schwieriger geworden, Verstöße gegen diese Bestimmungen festzustellen und sie zu beweisen.

Früher war es zum Abhören unerlässlich, Botschaften und andere diplomatische Gebäude oder die Wohnungen und Fahrzeuge von Diplomaten zu verwanzen. Eine Praxis, die nicht nur zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion üblich war. Wurden die Abhörwanzen gefunden, war dies ein klarer physischer Beweis für einen Verstoß gegen internationale Vereinbarungen. Die heute existierenden Spionagetechnologien erlauben jedoch das Abhören und Überwachen aus mindestens mehreren hundert Metern Entfernung zum Objekt und hinterlassen zumeist keinerlei Spuren.

UN-Zentrale in New York abgehört

Bei der UNO wurde erstmals Anfang 2003 bekannt, dass die NSA im Vorfeld des Krieges gegen Irak aus der schräg gegenüber der New Yorker UN-Zentrale gelegenen US-Botschaft mit hochsensiblen Richtmikrofonen das Büro des damaligen Generalsekretärs Kofi Annan abgehört hatte sowie die Besprechungsräume Deutschlands, Frankreichs und anderer damals kriegskritischer Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates.

Im aktuellen Fall der mutmaßlichen Spionagetätigkeit mit Richtantennen vom Dach der US-Mission in Genf zitierte der Zürcher Tagesanzeiger den deutschen UN-Botschafter Hanns Schumacher diese Woche mit den Worten: „Soweit wir es wissen, können wir eine Überwachung, wie sie der Spiegel berichtet, nicht bestätigen.“ Auf Nachfrage betonte Schumacher gestern, er habe diese Aussage „ausschließlich mit Blick auf die deutsche UN-Mission gemacht“ - nach einer Überprüfung durch Sicherheitsexperten des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Was genau aber haben die BND-Experten untersucht? Und wie können sie ausschließen, dass die deutsche Mission in Genf nicht mit denselben technischen Methoden aus der US-Mission ausgespäht wurde, wie das Bundeskanzleramt in Berlin von der dortigen US-Botschaft? Auf diese Fragen hat der Botschafter bislang keine Antwort.

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