Muslimisches Auktionshaus „Selisha.de“: „Wir dürfen nicht betrügen“

Nach „Muslimtaxi“ ist Selim Reid nun mit „Selisha.de“ am Start, einem muslimischen Auktionshaus. Stringtangas gibt es dort auch.

T-Shirts, Öl oder Gebetsführer: Was der Muslim so braucht kann er bei Selisha ersteigern. Bild: screenshot selisha.de

taz: Herr Reid, seit zwei Jahren betreiben Sie „Selisha.de“, ein islamisches Onlineauktionshaus. Wie kam es zu dieser Idee?

Selim Reid: Genau wie bei „Muslimtaxi(siehe Kasten) gab es eine Nachfrage aus meinem Bekanntenkreis. Und seit dem 1. April 2010 ist die Seite jetzt freigeschaltet. Die Idee kam sehr, sehr gut an und läuft bisher ganz gut. Auch diese Seite soll irgendwann international sein.

Für „Selisha.de“ werben Sie mit dem Slogan „Alles was das Muslim-Herz begehrt und mehr …“. Wonach verlangt es das muslimische Herz denn Ihrer Meinung nach?

Utensilien für ein islamisches Leben, etwa Bücher, Kleidung, Kopftücher für die Frauen, Mützen für Männer, elektronische Artikel wie Gebetsuhren. Wer also nach islamischen Produkten sucht, muss nicht mehr Google benutzen oder sich durch 20 verschiedene Shops klicken, der bekommt alles bei uns. Aber es muss nicht alles mit dem Islam in Verbindung stehen, es werden auch andere Produkte angeboten – auch von Nichtmuslimen.

Es gibt doch noch die gute, alte eBay-Plattform. Reicht die für Muslime nicht aus?

Eine Konkurrenz zu eBay kann ich gar nicht sein, weil ich keine 100 Millionen Euro besitze. eBay hat alles, ich habe mich spezialisiert. Genau wie beim Muslimtaxi bediene ich eine Nische. Und wenn ich bei eBay nach muslimischen Produkten suche, dann ist die Auswahl nicht so groß – eBbay reicht für die Millionen Muslime in Deutschland und denen in den angrenzende Ländern nicht aus.

Im Januar 2012 sprach taz-Redakteurin Cigdem Akyol mit Selim Reid über seine Geschäftsidee "Muslimtaxi": Eine muslimische Mitfahrzentrale, bei der Frauen und Männer getrennt voneinander fahren. Danach überschlugen sich die Medien, sogar Journalisten aus den USA und Saudi-Arabien kontaktierten Reid.

Vor allem sei man ihm aber skeptisch begnet, sagt Reid. Er habe aber niemanden ausschließen, sondern im Gegenteil einen Dialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen erreichen wollen. Im Moment arbeitet Reid an einem internationalen Auftritt - irgendwann soll es Muslimtaxi auch in den USA geben.

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25 Jahre, ist Sunnit und studiert in Hamburg Fahrzeugbau und Flugzeugtechnik. 1996 kam er mit seinen Eltern als Flüchtling aus dem Irak nach Deutschland, das er heute als seine Heimat betrachtet.

2010 gründete er die Plattform "Selisha.de".

Das islamische Onlineauktionshaus hat sich auf Muslime spezialisiert. Anders als bei eBay werden hier aber nur Gebühren erhoben, wenn das Produkt verkauft wird: Bei einem Verkauf werden 5 Prozent Verkaufsprovision veranschlagt.

Nach Angaben Selim Reids klicken täglich 2.000 Leute auf die Seite, die Zahl der angemeldeten Nutzer schwankt zwischen 4.000 und 5.000. Bis zu 100 Artikel werden täglich verkauft, die unter anderem in den über 30 Shops

von Muslimen und Nichtmuslimen angeboten werden.

www.selisha.de

Neben Hidschabs gibt es bei Ihnen auch Stringtangas zu ersteigern. Das ist doch haram, also nicht statthaft ?

Es ist falsch zu denken, dass Musliminnen so etwas nicht anziehen. Wenn zwei Schwestern, eine verschleiert und die andere modern gekleidet, nebeneinander durch die Straßen ziehen, dann werden sich viele Männer die aufgestylte Frau in Unterwäsche vorstellen. Die Leute denken, die verschleierte Frau könne keinen BH oder Stringtanga anziehen, sie – es tut mir leid, wenn ich das so direkt anspreche – könne nicht gut im Bett sein. Diesen Frauen wird vieles abgesprochen, weil sie ein Kopftuch tragen. Klamotten sind im Islam ja nichts Verbotenes, sondern etwas ganz Normales.

Ein Angebot auf „Selisha.de“ ist das erotische Wäscheset „Red Under Black-BH“, welches mit „bequem Inshallah Cup 75“ beworben wird. Ist der Islam doch nicht so prüde, wie allgemein angenommen?

Der Islam ist eine Religion, welche versucht, die Gemeinschaft untereinander zu schützen. Deswegen sind in islamischen Staaten keine nackten Frauen auf der Straße, die sich etwa anderen an den Hals werfen. Kinder sollen nicht zu früh an die Welt der Pubertät herangeführt werden. Im Islam wird der Intimbereich für sich behalten, bleibt in der Familie. Und innerhalb der Familien ist es genauso wie bei anderen Familien auch. Die Frauen verschleiern sich nur draußen, damit die Blicke der Männer von ihnen fernbleiben.

Bei „Selisha.de“ haben „die nach Quran und Sunnah geltenden Sittenregeln des Gesandten oberste Priorität“. Was heißt das für den Onlinehandel?

„Preistreiberei“, wie sie bei eBay stattfindet, ist eine Sünde. Menschen treiben über verschiedene Konten den Preis in die Höhe. Das ist eine Art von Handel, die der Prophet missbilligt, die wir nicht machen sollen. Wir dürfen nicht betrügen.

Sie möchten sich nach eigener Aussage im Netz etablieren „und nur mit der Erlaubnis Allahs etwas Licht in die Dunkelheit bringen“. Wie haben Sie denn diese Genehmigung von oben erhalten?

Für Außenstehende hört sich das hart an. Als Muslim glaube ich an das Schicksal. Das, was auf mich zukommt, hätte mich nicht verfehlen sollen. Das, was mich verfehlt, hätte mich nicht treffen sollen. Alles, was passiert, wurde von Gott in die Wege geleitet. Wenn ich mir vornehme, ein Geschäft zu betreiben, dann ist das eine Liebe, die der Muslim von seinem Propheten verspürt, weil er diesem vertraut. Der letzte Segen liegt aber bei Gott.

„Handel ist eine vom Propheten empfohlene Beschäftigung“, sagen Sie. Wer also nicht handelt, schlägt einen Rat des Propheten aus?

Dies soll eine Ermutigung sein für die Leute, die zögern. Seit der Gründung dieses Auktionshaus merke ich immer wieder, wie stark eingeschüchtert viele Muslime sind. Sie werden in die Enge getrieben, leben in einem Land, in dem sie gepiesackt werden. Aber die Menschen müssen aufstehen und ihre Stimme erheben, sonst trauen sie sich nicht mehr heraus in das Licht. So schämen sich Muslime, ihrem Arbeitgeber zu sagen, dass sie 5-mal am Tag beten und sich deswegen kurz zurückziehen müssen. Viele Muslime haben Angst, dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird. Deswegen will ich Muslime mit meinen islamischen Unternehmen ermutigen.

Brauchen Muslime in Deutschland also ein größeres Selbstbewusstsein?

Ich hoffe, das kommt jetzt nicht falsch an. Aber ich muss da knallhart „ja“ sagen.

Ein Teil Ihres Umsatzes geben Sie für „Dawazwecke“aus. Was heißt das konkret?

Ich bekomme immer wieder Sponsoringanfragen, etwa von einem muslimischen Basketballclub oder einem Verein, der sich für das Frauenschwimmen engagiert. Es geht um wohltätige Zwecke, etwa für humanitäre Organisationen.

Zins gilt im Islam als Wucher. Wie gehen Sie damit um?

Bisher habe ich noch keinen einzigen Cent mit der Seite verdient, weil ich alles wieder direkt in die Weiterentwicklung der Seite investiere.

Mit reiner Nächstenliebe und mit dem Glauben lässt sich aber kein Leben finanzieren.

Es ist ein Mittel zum Zweck. Als Muslim kann ich durch die Nähe zu meinem Glauben Geld verdienen. Das ist mir lieber, als unter jemandem zu stehen.

Wie das Muslimtaxi wirkt auch diese Geschäftsidee nicht zeitgemäß. Passt sie überhaupt in die hiesige säkulare Gesellschaft?

Je weiter wir in der Zeit voranschreiten, desto mehr Muslime gibt es in Deutschland – nicht weniger. Dieses Steigerung, vor allem von deutschen Konvertiten, bringt ja eine Nachfrage mit sich. Dementsprechend sind wir zeitgemäß und fördern die islamische Gemeinschaft.

Herr Reid, Sie schaffen sich eine islamische Welt, warum diese Ghettoisierung?

Es ist keine Ghettoisierung, weil all die neuen Deutsch-Muslime gewisse Wünsche haben, die ich bediene. Es kommen immer mehr Menschen zum Islam, überwiegend Frauen treten dem Club bei, angeblich einem Club, der sie unterdrückt. Es ist ein Trend, der weiter fortlaufen wird. Abgesehen davon, kann jeder bei uns mitmachen, jeder ist willkommen.

Herr Reid, Sie sind jung und vertreten eine sehr konservative Auslegung des Islam. Können Sie es verstehen, dass sie Vorbehalte wecken?

Ich habe doch kein Imperium geschaffen und bilde Leute aus. Die meisten Menschen haben Angst vor Dingen, die sie nicht kennen. Es ist ein Missgeschick von mir, wenn die Menschen etwas falsches von mir denken. Ich nehme den Leuten das nicht übel, wenn sie voreingenommen sind.

Gibt es Produkte, die Sie nicht auf die Plattform nehmen würden?

Ein User hat sich Hitler genannt und wollte „Mein Kampf“ verkaufen, dies dulde ich natürlich nicht – es ist ohnehin verboten. Mohammed-Karikaturen kommen mir auch nicht auf die Plattform, diese sind eine Beleidigung für mich. Aber für alles andere sind wir offen.

Und wie schaut es mit islamkritischer Literatur aus?

Habe ich kein Problem mit, auch diese Leute sind herzlich willkommen.

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