Mögliche Zwangslockerung: Die Angst vor der Entmeisterung

Die Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion sorgt sich um den deutschen Meisterbrief und stimmt ins Brüssel-Bashing der Handwerkslobby ein.

Meisterhaft gemalt: Geht es nach der Bremer CDU, soll der Meisterzwang für Handwerksberufe bestehen bleiben. Bild: dpa

BREMEN taz | Die Bremer CDU hat Angst. Heute, so will es ihre Bürgerschaftsfraktion, soll der Landtag beschließen, dass der Senat sich „für den Erhalt der Meisterpflicht“ einsetzt. Auf Bundesebene und in der EU. Denn der von den Nazis 1935 eingeführte Meisterzwang sei „eine im Handwerk gewachsene und bewehrte (sic!) Qualifikation“.

Deren „weitere Entwertung“ wäre „unverantwortlich“, heißt es im Antrag. Damit greift die CDU Beschwerden der Handwerkskammern und des Zentralverbandes des deutschen Handwerks auf: Die machen Front gegen die EU. Diese habe, hieß es im Oktober im Handwerksblatt, einen „Angriff auf den Meisterbrief“ gestartet, im Dezember zürnte man, dass sich die EU „bei der Meisterpflicht“ einmische. „Schafft die EU den Meisterbrief ab?“ fragte die Februar-Ausgabe.

Vergangene Woche reagierte die EU-Kommission: „Entgegen anderslautender Berichte hat die Europäische Kommission keinerlei Pläne, die deutsche Handwerksordnung aufzuheben.“ Sie hätte dazu keine Befugnisse.

Gewerbefreiheit herrschte in Preußen ab 1810, in Bremen ab 1861, im norddeutschen Bund ab 1869 und im Deutschen Reich bis zu Hitlers Gewerbeordnung von 1935: Sie erklärte den Erwerb des Meisterbriefs zur Voraussetzung der Selbständigkeit.

Die Diskussion über den auch verfassungsrechtlich zweifelhaften Meisterzwang wurde in Österreich mit dessen Abschaffung im Jahr 2000 beendet, in Deutschland im Jahr 2004 mit einer Befreiung von 53 eher niedrigschwelligen Berufen - etwa dem Fliesenleger - beantwortet.

Das duale Ausbildungssystem, Schlüssel im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, hat darunter in Österreich nicht gelitten.

Bei den Bundesländern, die Befugnisse haben könnten, sind keine Initiativen festzustellen. Beispiel Niedersachsen: „Olaf Lies“, so Meisterzwangkritiker Jonas Kuckuk vom in Verden ansässigen Berufsverband unabhängiger HandwerkerInnen (Buh), „blockiert uns genau wie seine Vorgänger.“ Sogar, wenn man sich mit anderen Nichtregierungsorganisationen zusammentue, bekomme man keinen Termin beim SPD-Wirtschaftsminister. „Die antworten nicht mal auf unsere Briefe.“ Auf Presseanfragen gestern auch nicht.

Alles also im Stillstand. Dass es trotzdem solche Sorgen um den Meisterzwang gibt, liegt an einer Empfehlung der EU-Kommission, die sich aus dem „Pakt für Wachstum und Beschäftigung“ ergibt: Der forderte, die „Hemmnisse beim Zugang zu reglementierten Berufen“ in den Einzelstaaten zu überprüfen. Das sei in Deutschland unter anderem der Meisterzwang. Ob sich die „im öffentlichen Interesse liegenden Ziele“ dieser Reglementierung nicht genauso „durch eine weniger strikte Reglementierung erreichen“ ließen, solle Deutschland aufklären.

Die Bremer CDU schiebt möglicherweise auch deshalb Panik, weil die EU-Kommission ausdrücklich auf mögliche Spielräume „auf Länderebene“ hinweist. „Vielleicht könnte Bremen die durch eine freiere Auslegung des Bundesrechts nutzen“, mutmaßt Kuckuk – und so „der Abwanderung von Gewerbeanmeldern ins Umland etwas entgegensetzen“: Gemeinden dort locken oft mit günstigen Steuersätzen.

Geplant ist derlei nicht: „Die Einschätzungen der Kommission hinsichtlich des rigorosen Hürdenabbaus im Berufszugang“, heißt es aus dem Bremer Wirtschaftsressort, „werden nicht vollständig geteilt.“ Und „es sollte bei vielen Dienstleistungserbringungen auch auf die gute Qualität geachtet werden“.

Inwiefern die unter der Abschaffung des Meisterzwangs leidet, ist ungewiss. Aber es gibt Hinweise auf Probleme einer Teilliberalisierung: Während die Abschaffung des Meisterzwangs in Österreich im Jahr 2000 der Ausbildungs- und Ausbilderquote keinen Abbruch und der Konjunktur gut tat, scheinen die Wirkungen der in Deutschland 2004 praktizierten Entmeisterung eines Teils der Handwerksberufe oft negativ. Das legt eine im Februar publizierte Studie des Instituts für Mittelstand und Handwerk nahe.

Das Institut ist an der Uni Göttingen angesiedelt. Sein Träger ist ein Verein, dessen Vorsitzender der Chef Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsens ist. Inhaltlich wird die Institutsarbeit durch einen Beirat gelenkt, der sich aus dem Führungspersonal der Handwerkskammern des Landes rekrutiert. Angestellter Geschäftsführer und Hauptautor des Instituts ist der Volkswirt Klaus Müller. In besagter Studie legt er dar, dass in entmeisterten Gewerken der Anteil der Ausbildungsbetriebe von 20 auf drei Prozent eingebrochen sei, dass die Azubi-Zahlen sanken – und der wirtschaftliche Erfolg ausblieb.

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