Mögliche Szenarien für Krise am Golf: Küssen oder kämpfen

Der Boykott arabischer Länder gegen Katar nutzt derzeit keinem. Ringen sich die Staaten zu einem Kompromiss durch oder kommt es zum Krieg?

Ein Grenzübergang, weit und breit keine Menschen

Tote Hose in der Wüste: Am Grenzübergang von Katar nach Saudi-Arabien ist derzeit nicht viel los Foto: reuters

KAIRO taz | Kann der derzeitige Konflikt um das kleine Emirat Katar tatsächlich zu einem Krieg führen? Diese Sorge formulierte am Wochenende jedenfalls der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der Umgang, den die Golfstaaten miteinander pflegten, sei „dramatisch“ erklärte er.

Grundsätzlich sind derzeit drei Szenarien möglich:

1. Aussitzen

Am wahrscheinlichsten ist, dass Katar den Konflikt mithilfe seiner enormen Geldreserven und seiner großen regionalen Freunde, dem Iran und der Türkei, einfach aussitzt. Beide sind in den letzten Tagen mit Nahrungsmittellieferungen eingesprungen, um Engpässe zu schließen. Nach anfänglichen Panikkäufen, hat sich die Versorgungslage in Katar inzwischen wieder beruhigt.

Der Seeweg steht Katar weiter offen, sowie die wesentlich teurere Versorgung über den Luftweg, die sich Katar, eines der reichsten Länder der Welt, aber eine Weile leisten kann. Katars Finanzminister Ali Scharif al-Emadi gab sich in einem TV-Interview betont selbstbewusst und gelassen und erklärte, dass sein Land die finanziellen Mittel habe, die Schockwellen des Konfliktes abzufedern. Die Reserven und Investmentfonds des Emirats entsprächen mehr als 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sagte der Minister. Der Verkauf von Anteilen an großen westlichen Unternehmen stünde dabei derzeit nicht zur Debatte, versicherte er.

So spürt Katar derzeit keinen direkten Handlungsdruck. Zudem ist die neue scharfe Politik Saudi-Arabiens selbst im Golf-Kooperationsrat nicht unumstritten. Sowohl Kuwait als auch der Oman haben sich der saudischen Agenda gegen das Emirat nicht angeschlossen. Katar wird sicherlich versuchen, diese Widersprüche auszunutzen und wird hoffen, dass der internationale Druck gegen die Blockade wächst.

2. Einigung

Die zweite Möglichkeit ist, dass es Saudi-Arabien tatsächlich schafft, Katar zu Zugeständnissen zu zwingen, etwa in dessen Verhältnis zum Iran oder was die Unterstützung islamistischer Organisationen betrifft. Durch einen solchen Kompromiss käme auch Saudi-Arabien aus der Angelegenheit heraus, ohne sein Gesicht zu verlieren.

Eine wichtige Rolle könnte hier Kuwait als Vermittler zukommen. In einer kuwaitischen Erklärung heißt es kryptisch: „Unsere Brüder in Katar verstehen die Realität der Besorgnisse ihrer Brüder und werden alle ehrenhaften Versuche unterstützen, die Sicherheit und Stabilität zu verbessern.“ Will heißen, Katar ist möglicherweise zu Zugeständnissen bereit.

Allerdings sind hierbei noch nicht einmal die Forderungen Saudi-Arabiens klar. Soll Katar all seine Verbindungen zum Iran kappen? Allein die Tatsache, dass beide Länder ein riesiges Gasfeld gemeinsam ausbeuten, würde schon gegen einen solchen Schritt sprechen. Ein Dorn im Auge ist den Saudis auch der von Katar finanzierte Fernsehsender al-Dschasira, aber auch hier liegen öffentlich keine konkreten Forderungen auf dem Tisch. Möglich ist auch, dass Katar einige Vertreter der ägyptischen Muslimbruderschaft oder der palästinensischen Hamas des Landes verweist, um dem Vorwurf zu begegnen, das Emirat unterstütze radikale islamistische Organisationen.

Es kann durchaus sein, dass sich alle Seiten mithilfe kuwaitischer Vermittlung auf einige kosmetische Maßnahmen einigen und wir in ein paar Tagen wieder Bilder sehen, wie sich die Scheichs, Könige und Emire am Golf versöhnlich die Stirne küssen.

3. Krieg

Das dritte Szenario ist das von Gabriel befürchtete, dass der Streit sich tatsächlich zu einem regionalen Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ausweiten könnte.

Zumindest im Moment ist das eher unwahrscheinlich. Katar selbst ist bemüht, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen, und hat beispielsweise keine Gegenmaßnahmen eingeleitet. Saudi-Arabien, die Vereinigten Emirate und Ägypten hatten katarische Bürger aufgefordert, ihre Länder innerhalb von zwei Wochen zu verlassen. Trotz Tausender ägyptischer Gastarbeiter im Land, hat sich Katar nicht zu einer Ausreiseaufforderung verleiten lassen. Selbst der Iran reagierte ruhig.

Dazu kommt, dass selbst innerhalb Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate die Eskalation nicht unumstritten ist. Auch Europa ist an keiner Verschärfung des Konflikts interessiert. Einer solchen Entwicklung stehen die Interessen der Ölmärkte entgegen.

Die große Unbekannte bleiben die USA. Von dort kommen widersprüchliche Signale. Zunächst hatte Präsident Donald Trump angeboten, die streitenden „Golfparteien“ ins Weiße Haus einzuladen. Aber am Freitag beschrieb er Katar in einem Tweet erneut als Sponsor von Terrorismus und unterstützte die Blockade der Golfstaaten.

Auch die Aussagen zwischen dem US-Außenminister Rex Tillerson und seinem Chef im Weißen Haus sind wenig abgestimmt. Während Tillerson am Freitag die Golfstaaten aufforderte, ihre Blockade gegen Katar wegen der humanitären Folgen und der Tatsache, dass diese die militärischen Unternehmen der USA behindere, zu lockern, kritisierte Trump nur eine Stunde später erneut Katar als „Finanzier von Terrorismus auf oberster Ebene“.

Was die von Tillerson angesprochenen militärischen Interessen angeht, so unterhalten die USA in Katar mit dem Al-Udeid-Luftwaffenstützpunkt die größte Militärpräsenz im Nahen Osten. Dort liegt auch die Basis des US-Zentralkommandos in der Region, das für Operationen von Ägypten bis nach Afghanistan und Pakistan verantwortlich ist. Sowohl die USA als auch die britische Luftwaffe fliegen von al-Udeid aus Einsätze gegen den IS. Strategisch gesehen müsste also auch Washington an einer Lösung des Konfliktes gelegen sein.

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