Mitgliederanstieg bei der SPD: Bitte keine Sozen auf Zeit

Seit dem Bonner Bundesparteitag verzeichnet die SPD eine Eintrittswelle. Die Parteiführung fürchtet, dass die neuen GenossInnen die Groko sabotieren.

Viele Menschen sitzen in Reihen hintereinaner und halten je eine Karte hoch

Erfolgreich: Juso-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert (Mitte) mit seiner Mitgliederkampagne gegen die Groko Foto: dpa

BOCHUM taz | Mit ihrer „Tritt ein, sag’ Nein“-Kampagne gegen die Große Koalition sorgen die nordrhein-westfälischen Jusos in der SPD für Aufregung. Mitglieder müssten sich „mündig“ für die Sozialdemokratie entscheiden und „nicht auf eine einzelne Entscheidung bezogen so tun, als ob“ sie die Partei unterstützten, kontert Nordrhein-Westfalens SPD-Landeschef Michael Groschek die Initiative.

Auch der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, kritisierte Parteieintritte auf Zeit: „Probleme habe ich, wenn suggeriert wird: Tretet ein, dann könnt ihr abstimmen – und dann wieder austreten“, sagte der Sprecher der Strömung, der führende SozialdemokratInnen wie die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles nahestehen.

Hintergrund ist die voraussichtlich im März anstehende Abstimmung sämtlicher SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union, der in den kommenden Wochen verhandelt wird. SPD-Chef Martin Schulz hat angekündigt, das Votum der Basis als letztes Wort zu akzeptieren.

Unmittelbar nach dem Bundesparteitag in Bonn am Sonntag hatte Nordrhein-Westfalens Juso-Vorsitzender Freddy Cordes deshalb begonnen, für schnelle Parteieintritte zu werben: Für einen Studenten liege der Mitgliedsbeitrag bei gerade einmal fünf Euro, argumentierte er: „Für zehn Euro kann man also mithelfen, die Groko zu verhindern.“

„Der Trend ist da, es läuft“

Und tatsächlich verzeichnen die Sozialdemokraten seither eine Eintrittswelle. In der Düsseldorfer Kavalleriestraße zählte die Parteizentrale des mit 110.000 GenossInnen mitgliederstärksten Landesverbands NRW bis Dienstagmorgen 500 Neueintritte, am Mittag lag die Zahl bereits bei 600. Die Berliner SPD kann sich über 170 neue GenossInnen freuen, in Bayern stellten allein am Montag etwa 100 Menschen online einen Antrag auf Parteimitgliedschaft. Bundesweite Zahlen konnte die Parteizentrale im Berliner Willy-Brandt-Haus nicht liefern.

„Der Trend ist da, es läuft“, freut sich Nordrhein-Westfalens Juso-Chef Cordes. Natürlich hoffe auch er, dass die neuen GenossInnen auf Dauer in der SPD blieben, betont er. „Mein 10-Euro-Spruch war natürlich grob zugespitzt“, sagte Cordes der taz. Als „zutiefst demokratischer Akt“ sei die Mitgliederbefragung aber eine „riesige Chance“ für die SPD insgesamt.

Freddy Cordes, Juso-Vorsitzender NRW

Für zehn Euro kann man mithelfen, die Groko zu verhindern

Dies zeige allein der Blick nach Großbritannien, argumentiert Cordes: Dort habe sich die Mitgliederzahl der Labour Party durch die Abstimmung über den Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn von 190.000 auf 600.000 mehr als verdreifacht. Die Zahl der SPD-Mitglieder hat sich dagegen innerhalb der vergangenen 20 Jahre auf rund 400.000 halbiert. „Niemand kann doch etwas dagegen haben, junge Leute in die Partei zu holen“, so Cordes.

„Jüngere lehnen GroKo ab“

Unklar bleibt aber, wie die Neumitglieder zur Großen Koalition stehen. „Die Basis ist eine Black Box“, sagt die Groko-kritische Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar. Das Ergebnis der Abstimmung könne niemand vorhersagen, so die 33-Jährige, die beim Bundesparteitag mit Nein gestimmt hat.

„Um die Groko unterstützen zu können, fehlte mir eine Steuerpolitik, die Reiche stärker belastet“, sagt Esdar, die zudem der AfD nicht die Oppositionsführerschaft im Bundestag überlassen will.

„Wir halten die Juso-Kampagne nicht für den Auslöser der Eintrittswelle“, heißt es aus der NRW-Parteizentrale. Juso-Chef Freddy Cordes sieht das ganz anders: „Mindestens die Hälfte der neuen GenossInnen ist im Juso-Alter“, erklärt er – „und gerade die Jüngeren lehnen doch die Groko ab.“

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