Miese Straßen schaden dem Handwerk: Die Fassbombe des kleinen Mannes

Der Mittelstand wird durch schlechte Verkehrswege belastet. Kurze Zeit auf hiesigen Rennpisten reichen, um zu verstehen: Das ist eine gute Nachricht.

13 Mercedes-Transporter stehen nebeneinander

Können tödliche Waffen sein Foto: Imago/Sebastian Geisler

Dass sich für das „Fahrzeug-Segment Kleintransporter“ (Die Zeit) die Bezeichnung „Sprinter“ durchgesetzt hat, ist für den ungepanzerten Verkehrsteilnehmer selbsterklärend: Kein Tag im öffentlichen Raum vergeht, ohne dass die Fassbombe des kleinen Mannes nicht ferrari-röhrend anfährt, schneidig abbiegt, und nach-mir-die-Matschepampe-mäßig ins vermeintlich Freie zurückstößt.

Bei so viel alltäglicher Freude am Fahren verwunderte es, als die FAZ vom Montag mit einer Veröffentlichung vorpreschte: Nach einer Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) unter knapp 5.900 Betrieben sieht jeder dritte Handwerksbetrieb seine Geschäfte durch den unzureichenden Zustand deutscher Straßen beeinträchtigt. Straßenmängel kosteten die Betriebe wöchentlich im Schnitt 7,4 Stunden!

Aber hey, Zahlen können wir auch! Im Forschungsbericht der Autoversicherer und des Verbands der Automobilindustrie zur Sicherheit von Kleintransportern aus dem Jahr 2012 (PDF) waren es die Handwerksbetriebe und sonstige Gewerbetreibende, die die Mehrheit der Unfallverursacher beim Kleintransporter ausmachten.

56 Prozent der mit einer „Pkw-Front“ kollidierenden Fußgänger würden auf das Fahrzeug „aufgeladen“, beim Kleintransporteranprall hingegen würden 75 Prozent „weggeschleudert“. „Gegner“ in der „Unfallkinematik“ seien beim Rückwärtsfahren primär ältere Menschen (Ü60). Es waren wohl solche Daten, die Bettina Zahndt vom rufmäßig superneutralen Schweizer Versicherungsanbieter Axa-Winterthur im Sommer 2015 zu der Beurteilung kommen ließen, Sprinter seien, „schwer, unübersichtlich und gefährlich“.

Rennwalze an sich

Das Problem, heißt es aber nun sowohl im deutschen Forschungsbericht als auch in einem Artikel der Zeit, der die Schweizer Untersuchung referierte, seien keineswegs die schweren, unübersichtlichen und gefährlichen Rennwalzen an sich, nein: Die Fahrer seien schuld am „weggeschleuderten“ Verkehrsteilnehmermaterial Ü60 und am zerbatzten U6, der menschliche Faktor eben, der gute alte, fehlerhafte Homo sapiens, der zu schnell, zu unaufmerksam, zu ungebremst und zu angeschnallt unterwegs sei, obwohl doch der ZDH-Umfrage zufolge, das marode deutsche Straßennetz „zum langsamen Fahren zwinge“.

Am Ende bleibt die FAZ aber doch die FAZ, die großbürgerliche Zeitung nämlich, bei der man mit kleinbetrieblicher Heuchelei nicht durchkommt: 60 Prozent der Teilnehmer der ZDH-Umfrage, heißt es als Pointe des Vorabberichts, legen nämlich mehr Wert auf Reparatur denn auf den Neubau heimischer Straßen – und zwar mit Finanzierungsmodellen, die sie mit einbeziehen: „Es darf nicht passieren“, wird ZDH-Präsident Wollseifer zitiert, „dass Milliarden für Straßenbau an der mittelständischen Wirtschaft vorbeifließen.“

Mit der einen Hand jammern, die andere aufhalten und den Fuß immer unbekümmert auf dem Gas: So quetscht und prescht er, der rasende Mittelstand. Man kann da nur hoffen, dass der ob seines Sparwahns viel gescholtene Minister Wolfgang Schäuble nicht doch noch zur Vernunft kommt: Jedes Schlagloch, dass den Großen Preis des deutschen Handwerks auf unseren Straßen wenigstes etwas einbremst, rettet Menschenleben.

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