Mastbedingungen: Laissez Faire im Hühnerstall

Niedersachsens Hähnchenmäster geben sich tierfreundlich. Zum Vorreiter der tiergerechten Haltung wird das Geflügelland deswegen aber noch lange nicht.

Beinahe tiergeschützt: die Masthähnchen in Niedersachsen. Bild: dpa

VON UTA GENSICHEN

Glücklicher sollen sie werden, die rund 32 Millionen Masthähnchen Niedersachsens. Auf dem Fachforum Geflügelmast in Cloppenburg waren sich Mäster und Wirtschaftsvertreter einig, der Geflügelhaltung mehr Tierschutz einzuhauchen. "Dieser Verantwortung stellen wir uns", sagte in der vergangenen Woche Arendt Meyer zu Wehdel, Präsident der Landwirtschaftskammer und Putenmäster. Niedersachsen ist im bundesweiten Vergleich das Geflügelland Nummer eins. Rund 50 Prozent aller gemästeten Hähnchen und Puten kommen aus dem Flächenland.

Wie der Beitrag zum Tierschutz genau aussieht, erklärte Peter Hiller, Geflügelfachmann der Kammer: Demnach werde dem Hähnchen ab der zweiten Mastwoche energieärmeres Futter gegeben. Peter Hiller nennt diesen Zeitraum die Laissez-Faire-Phase. Dabei sollen sich Organe und Skelett normal entwickeln, während die Muskelmasse schrumpft.

Zum Ende der rund 40 Tage währenden Lebenszeit aber pickt das Hähnchen wieder energiereiches Futter und nimmt rasant zu. "Vorne weniger, hinten Power", sagt Hiller zu dieser Fütterungsmethode. In etwa zwei bis drei Jahren werde sich diese bei den Landwirten und Futtermittelherstellern durchgesetzt haben, schätzt er. Tiergerechte Haltung und Mast schließen sich für Hiller nicht aus. "Wir sind ja in einem fortlaufenden Tierschutzprozess." Ganzheitlicher Tierschutz allerdings lasse sich mit Masthaltung nicht vereinbaren, sagt Thomas Schröder, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Tierschutzbundes. Solange den Hühnern die Schnäbel abgeschnitten werden, damit sie sich in den engen Ställen nicht gegenseitig hacken, könne von artgerechter Haltung nicht die Rede sein. "Diese neue Fütterungsmethode ist nichts weiter als eine Nebelbombe", sagt er. Denn die Ställe seien weiterhin zu klein.

In manchen agrarindustriellen Großbetrieben leben bis zu 100.000 Tiere auf engstem Raum, oftmals ohne Tageslicht. Die wenigen Wochen, die sie leben, verbringen die Hähnchen im Dauerstress.

"Die Geflügellobby weigert sich, über verbindliche Haltungsvorschriften für Masthühner zu reden", sagt Schröder. Nur die neue EU-Richtlinie, die bis 2010 umgesetzt werden muss, könnte etwas verbessern. Doch die bekommt vom Tierschutzbund nur das Prädikat ungenügend. "In wesentlichen Punkten stehen die Regelungen sogar hinter den deutschen Eckwerten zurück", sagt Schröder. Auf einem Quadratmeter dürften die Mäster ab nächstem Jahr beispielsweise bis zu 28 Hähnchen halten.

Diese Intensivhaltung werde nicht zuletzt vom Markt gefordert, heißt es in der niedersächsischen Landwirtschaftskammer. Während die Verbraucherpreise und die Kosten für landwirtschaftliche Betriebsmittel seit Jahren steigen, stagnieren die Preise für Fleisch. Dadurch stehen die Landwirte unter einem enormen Kostendruck.

Für den Tierschutzbund sind die Betreiber von riesigen, tierfeindlichen Mastanlagen weniger Landwirte, als vielmehr Industrielle. Ändern könnten diese Zustände die Endkonsumenten. "Der Verbraucher hat die Macht", sagt Schröder. Den Tieren werde vor allem damit geholfen, weniger Fleisch zu essen.

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