Massaker an Studenten in Mexiko: Kein Vertrauen in die Strafverfolger

Tausende forderten am Montag in Mexiko-Stadt die Aufklärung des Massenmords. Angehörige vermuten das Militär hinter dem Verbrechen.

„Lebend habt ihr sie uns genommen, lebend wollen wir sie zurück“, riefen die Demonstranten am Montag auf den Straßen von Mexiko-Stadt. Bild: dpa

MEXIKO-STADT taz | Vier Monate nach dem Angriff von Polizisten und Kriminellen auf Studenten im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero sind am Montag erneut Tausende auf die Straße gegangen. In einem Sternmarsch forderten Demonstranten in Mexiko-Stadt die Aufklärung des Verbrechens, bei dem im vergangenen September sechs Menschen starben und 43 Lehramtsanwärter entführt wurden.

„Lebend habt ihr sie uns genommen, lebend wollen wir sie zurück“, riefen sie und machten auf Transparenten die Regierung für das Verschwinden der jungen Männer mitverantwortlich: „Es war der Staat.“ Auch in 20 anderen Städten Mexikos fanden Protestaktionen statt, im Bundesstaat Oaxaca forderten Aktivisten den Zugang zu einer Militärkaserne.

Noch immer schenken die Angehörigen der Vermissten den Aussagen der Staatsanwaltschaft keinen Glauben. Nach der Version der Strafverfolger sind die Männer nach ihrer Festnahme in der Stadt Iguala von Polizisten an Killer der Mafiaorganisation Guerreros Unidos übergeben und von diesen hingerichtet worden. Diese Darstellung der Geschehnisse an jenem 26. September basierte zunächst auf Geständnissen dreier mutmaßlicher Täter, die jedoch bei ihrer Präsentation Folterspuren aufwiesen. Untermauert wird sie von den Angaben des letzte Woche verhafteten Bandenmitglieds Felipe Rodríguez Salgado. „El Cepillo“, wie der Mann genannt wird, hatte eingeräumt, mindestens 15 der verschwundenen Studenten ermordet zu haben.

Angehörige und Menschenrechtsverteidiger kritisieren, dass der Version der Staatsanwaltschaft lediglich Aussagen der Tatverdächtigen zugrunde lägen. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis“, erklärte der Rechtsanwalt Alejandro Ramos Gallegos der taz. „Keine vernünftige ballistische Untersuchung der Waffen, keine gute Spurensicherung.“

Der seit Jahresbeginn verschwundene Journalist Jose Moises Sanchez Cerezo ist im mexikanischen Bundesstaat Veracruz tot aufgefunden worden. Der Mord wurde laut mexikanischen Medienberichten aufgeklärt, nachdem der mutmaßliche Täter, ein ehemaliger Polizist, die Tat gestanden hatte. Als Auftraggeber benannte der Täter den Bürgermeister von Medellin de Bravo, Omar Cruz Reyes, der ebenfalls in Untersuchungshaft genommen wurde.

Das Opfer war der Herausgeber und Autor einer Lokalzeitung in Medellin de Bravo. Er berichtete auch über Übergriffe und Gewalt in der Kleinstadt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hatte noch vor wenigen Tagen die schleppenden Ergebnisse bei der Suche nach Sanchez kritisiert. (kna)

Niemand hat ein Feuer gesehen

Zweifel ruft auch die These hervor, die 43 Männer seien auf einem Müllplatz verbrannt und die Asche in einem Fluss geworfen worden. Obwohl die Halde in einem ausladenden Tal liegt, hat offenbar niemand das Feuer oder den Rauch gesehen. „Das kann nicht sein“, meint der dort lebende Journalist Oracio Lagunas. Von den Bergen aus sehe man schon das kleinste Feuer.

Zu Zeiten des „Schmutzigen Krieges“ der 1970er Jahren verschwanden in Guerrero zahlreiche Oppositionelle in den Händen des Militärs. Auch heute häufen sich wieder Berichte, nach denen Soldaten für das Verschwinden von Menschen verantwortlich sind. Deshalb schließen die Angehörigen nicht aus, dass ihre Söhne oder Brüder von den Streitkräften verschleppt wurden. „Es existieren Indizien dafür, dass Soldaten beteiligt gewesen sind“, sagte der Anwalt Vidulfo Rosales. Amnesty International fordert die Strafverfolger auf, gegen die Armee zu ermitteln. Bereits Mitte Januar haben Demonstranten militant versucht, in die Kaserne von Iguala einzudringen.

Am 7. Juni finden in Mexiko Parlamentswahlen statt. Angesichts der Verflechtungen aller Parteien mit der Mafia, wie sie bei dem mutmaßlichen Massakers von Iguala deutlich wurde, rufen Oppositionelle dazu auf, den Urnengang zu boykottieren. „Nein zu den Wahlen“, erklärte der Sprecher der Angehörigen Felipe de la Cruz auf der Demonstration am Montag, „wer wählen geht, stimmt für die organisierte Kriminalität und korrupte Kandidaten“.

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