Marokko als Migrationspakt-Gastgeber: Selbsternannte Pioniere

Marokko entwickelt sich zu einem wichtigen Akteur in der internationalen Migrations-Diplomatie. Allerdings mit zweifelhaften Methoden.

Zwei verbundene Hände

„Kreative“ Lösungen im Grenzmanagement Foto: ap

MARRAKESCH taz | Dass die Konferenz zum Migrationspakt in Marokko stattfindet, kommt nicht von ungefähr: Das Land hat sich in den letzten Jahren als wichtiger Player in der internationalen Migrations-Diplomatie entwickelt. Eine Dialogrunde zur Koordinierung der Grenzschutzpolitik von EU und Westafrika trägt den Namen „Rabat-Prozess“. Marokko hat heute gemeinsam mit Deutschland den Vorsitz im Global Forum for Migration and Development inne, einer zwischenstaatlichen Initiative, die unter anderem den UN-Migrationspakt mit vorbereitet hat.

Es gebe „keinen besseren Ort“, um die Konferenz zur Annahme des Paktes abzuhalten, als Marokko, sagte am Montag Regierungschef Saad-Eddine el Othmani. Sein Land sei ein „Pionier“ bei Migrationsfragen in den Reihen der Afrikanischen Union, seine „Vision“ gehe „Hand in Hand mit derjenigen der internationalen Gemeinschaft“: Marokko sei auf der Suche nach „kreativen Lösungen für das Grenzmanagement, die gleichzeitig die Rechte der Migranten wahren“.

Das Land ist eines der wenigen im globalen Süden, das sich offiziell nicht nur als Transit-, sondern auch als Zielstaat sieht – und damit zum Liebling der EU geworden ist. Genau diese Zwitterrolle würde Europa gern noch vielen anderen Ländern zuweisen. 2012 gab sich Marokko eine „Migrations­agenda“, 2013 startete es eine erste Legalisierungskampagne: Papierlose MigrantInnen konnten einen Aufenthaltstitel beantragen, etwa 14.000 Menschen wurde er erteilt.

Sie durften legal im Land bleiben, offiziell arbeiten, eine Wohnung mieten, Familie nachholen. 2015 beendete das Innenministerium das Programm vorerst. Eine Neuauflage gab es schließlich 2017, bislang wurden aber nach Auskunft von Flüchtlingsgruppen daraus noch keine Papiere ausgestellt.

Reibungslose „Rücknahme“

Das ist die eine Seite der marokkanischen Migrationspolitik. Die andere hat vor allem damit zu tun, dass das Land eine einzigartige geografische Lage hat: Nur hier gibt es, an den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, Landgrenzen zwischen der EU und Afrika. Und auch die Meerenge von Gibraltar macht Marokko zum Etappenziel für viele, die die EU erreichen wollen.

Schon seit 2006 hat Marokko sich in dieser Frage mit Spanien geeinigt: Es bekommt Geld – und schützt im Gegenzug die spanischen Grenzen. Jene, die die Zäune nach Europa überklettern, darf Spanien postwendend sofort wieder abgeben. Reibungsloser läuft „Rücknahme“ kaum irgendwo. Marokkanisches Militär löst regelmäßig mit Razzien informelle Siedlungen von subsaharischen MigrantInnen vor Ceuta und Melilla auf, teils nimmt sie diese auch in Wohngebieten, etwa in Tanger, fest. Gängige Praxis ist es dabei, die Menschen weit in den Süden des Landes zu fahren und dann mittellos dort auszusetzen.

Mehrfach ist es auch vorgekommen, dass marokkanische Sicherheitskräfte auf MigrantInnen geschossen haben, die versuchten, nach Ceuta, Melilla oder Andalusien zu gelangen. Erst im September 2018 war dabei eine Frau getötet worden.

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