Markus Söder entdeckt Naturschutz: Skilift am Riedberger Horn beerdigt

Bayerns neuer Ministerpräsident lässt das kritisierte Projekt fallen und versüßt den betroffenen Bergdörfern den Abschied mit Millionen.

Leute halten ein Transparent hoch, auf dem Berge zu sehen sind

Erfolgreicher Protest von NaturschützerInnen gegen den Bau einer „Skischaukel“ am Riedberger Horn Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Markus Söder sagt es nach dem Treffen mit der lokalen Oberallgäuer Polit-Prominenz am Freitag kurz und schmerzlos: „Auf die Skischaukel wird verzichtet.“

Damit hat Bayerns neuer Ministerpräsident als eine seiner ersten Handlungen ein Projekt zu Grabe getragen, über das seit Jahren im Freistaat so erbittert gestritten wird wie über kaum ein zweites: den geplanten Verbindungslift („Skischaukel“) zwischen zwei Skigebieten am Riedberger Horn in den Minigemeinden Balderschwang und Obermaiselstein, 15 Kilometer westlich von Oberstdorf gelegen. Und Söder selbst hat sich um 180 Grad gedreht.

Umweltschützer, Grüne und SPD hatten die Ausbaupläne immer wieder massiv kritisiert, denn erstmals überhaupt sollte damit die strengste Schutzzone C des Alpenplans ignoriert werden – wo eigentlich gar nichts gebaut werden darf. „Alpen in Gefahr“, warnte der Bund Naturschutz, der SPD-Umweltpolitiker Florian von Brunn sprach von einem „Wahnsinnsprojekt“.

Söder selbst hatte als Heimatminister die Änderung durchgeboxt und war als „Heimatzerstörer“ gebrandmarkt worden. Bundesweit wurden die Berge der Hörnergruppe bekannt als ein Negativ-Beispiel, wie sensible Alpennatur der Profitgier geopfert werden sollte.

Die örtliche Skitourismus-Wirtschaft und die Lokalpolitiker beharrten ebenso verbissen auf der Skischaukel. Nur so könnten angeblich die Gebiete in der dünn bevölkerten Gegend attraktiv bleiben und man der Konkurrenz im nahen Österreich etwas entgegensetzen.

Söder öffnet eine wahre Wundertüte

Dennoch umringen nun die Bürgermeister, der Landrat und der örtliche CSU-Landtagsabgeordnete in der Münchner Staatskanzlei Markus Söder und zeigen sich allesamt hoch erfreut. Denn der Abschied von dem Lift bringt ihnen eine Menge Geld ein. Stattdessen sollen nämlich, so verkündet es Söder, aus den beiden Orten „Modelldörfer für naturverträglichen Ski- und Bergtourismus“ werden. Dafür lässt der Freistaat 20 Millionen Euro springen, wird der Ministerpräsident nicht müde zu betonen.

Geplant sind unter anderem ein neues „Zentrum Naturerlebnis Alpin“ am Riedberger Horn mit umweltgerechtem Outdoorsport, Umweltbildung, Infozentrum, Weiterbildungseinrichtung. Es soll umweltfreundlichen öffentlichen Nahverkehr geben, Förderung des Langlaufens und „Digitale Alpendörfer“ mit bestem WLAN und schnellem Internet. Eine wahre Wundertüte, die Söder auf die Alpenbewohner herab prasseln lässt.

Seine Kehrtwende begründet Söder damit, dass es beim Skischaukel-Streit „keine Beruhigung“ gegeben habe. Deshalb habe man „einen Schlussstrich gezogen“. Ziel sei, „wieder Frieden und Ruhe am Riedberger Horn zu schaffen“.

Obermaiselsteins Bürgermeister Peter Stehle sagt, das Riedberger Horn solle künftig wieder „positiv besetzt werden“, sein Kollege Konrad Kienle lobt, Söder habe „den gordischen Knoten gelöst“. Und der CSU-Landrat Anton Klotz erwartet von dem neuen Modell eine „Strahlkraft für das ganze Allgäu“.

Markus Söder hat, nebenbei gesagt, in einem halben Jahr eine schwierige Landtagswahl zu bestehen. Und er hat erkannt, dass das Thema Riedberger Horn Sprengkraft besaß, auch in Teilen der CSU-Wählerschaft. Das Thema machte er gleich zur Chefsache und profilierte sich damit selbst.

Die Landtags-Grünen sprechen nun von einem „Etappensieg im Kampf für mehr Umwelt- und Landschaftsschutz“. Kritisiert wird allerdings weiterhin der „ausufernde Flächenfraß“ im Freistaat.

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