Maritime Politik: Ohne Inhalte und Strategie

Vor der Maritimen Konferenz in Bremerhaven legt die Bundesregierung einen dürftigen Bericht vor. Die Gesamtstrategie fehlt.

Noch geht der Lotse an Bord – aber für den Nachwuchs ist nicht gesorgt. Foto: dpa

HAMBURG taz | Valerie Wilms reißt der Geduldsfaden. „Ich vermisse jegliches strategisches Denken“, urteilt die grüne Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein über die maritime Politik der Bundesregierung. Insbesondere der federführende Maritime Koordinator im Wirtschaftsministerium, der Bremer SPD-Abgeordnete Uwe Beckmeyer, sei „völlig abgetaucht“, so Wilms: „Er verweigert sich allen kniffligen Fragen der Seeschifffahrt und der Hafenpolitik.“

Die sollen in zwei Monaten auf der 9. Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) in Bremerhaven von etwa 800 VertreterInnen von Politik,Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden diskutiert und möglichst auch geklärt werden. Dafür hat Beckmeyer jetzt als Diskussionsgrundlage einen 59-seitigen „Bericht über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland“ vorgelegt, doch dem fehle es vor allem an zweierlei, sagt Wilms: „Inhalten und Strategie.“

Das sieht Beckmeyer erwartungsgemäß anders: „Wir machen eine gezielte Innovationspolitik, die Branche braucht den internationalen Wettbewerb nicht zu scheuen“, stellt er in der Pressemitteilung zum Bericht klar. Und bis zur Maritimen Konferenz Mitte Oktober „werden wir eine maritime Strategie erstellen und die Weichen für die Zukunft stellen“, versichert der 66-Jährige.

In seinem Bericht indes ist derart Wegweisendes Mangelware. In sieben Kapiteln liefert der Staatssekretär nüchterne Beschreibungen der gegenwärtigen Situation der norddeutschen Häfen, der Seeschifffahrt und der Offshore-Windindustrie, Ziele und deren Erreichbarkeit spart Beckmeyer nahezu vollständig aus. „Die wichtigen Fragen werden nicht beantwortet“, kritisiert Wilms. So vermisst die Grüne ein Wort zur norddeutschen Hafenkooperation.

Die Nationale Maritime Konferenz (NMK) wurde im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufen.

Ihre Aufgabe ist es, Maßnahmen zur Sicherung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft zu entwickeln und so den maritimen Standort Deutschland zu stärken.

Federführend ist das Bundeswirtschaftsministerium, wo ein „Koordinator für die maritime Wirtschaft“ im Rang eines Staatssekretärs ansässig ist.

Die erste Konferenz fand im Jahr 2000 in Emden statt; seitdem tourt sie in zweijährigem Rhythmus durch die fünf norddeutschen Küstenländer. Die neunte NMK findet am 16. und 17. Oktober in Bremerhaven und somit zum zweiten Mal im Bundesland Bremen statt.

Der Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven wird in dem Papier nicht einmal erwähnt; über die beiden größten deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven heißt es lediglich, damit sie „weiterhin die größten Containerschiffe abfertigen und im Wettbewerb bestehen können, ist die Umsetzung der geplanten Fahrrinnenanpassungen an Elbe und Weser erforderlich“.

Diese allerdings müssten vom Bundesverwaltungsgericht erst einmal genehmigt werden. Nach der grundlegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 1. Juli diesen Jahres wären für die Ausbaggerungen der beiden Flüsse allerdings Ausnahmegenehmigungen notwendig – selbstverständlich sind die nicht. Eben deshalb müssten Bund und norddeutsche Länder umso intensiver an einer Alternative arbeiten, findet Wilms.

Eine Arbeitsteilung zwischen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven, von den Grünen im Bund und im Norden seit Langem gefordert, kann sich inzwischen sogar Bremens Hafensenator Martin Günthner (SPD) vorstellen. „Das ist eine nationale Aufgabe der drei Bundesländer Bremen, Niedersachsen und Hamburg“, findet er. Deshalb sei bei der anvisierten zweiten Ausbaustufe des Jade-Weser-Ports ein Einstieg der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) oder ein Gemeinschaftsprojekt zwischen der HHLA und der Bremer Eurogate vorstellbar.

Unzufrieden mit Beckmeyer ist auch Ben Lodemann, Ältermann der Hamburger Elblotsen. Die leiden unter Nachwuchsmangel, weil die Reeder aus Kostengründen lieber billigere Kapitäne aus Fernost und Osteuropa fahren lassen. Nur deutsche Kapitäne mit mehreren Jahren Berufserfahrung aber können Lotsen werden. „Wir müssen die Ausbildung renovieren“, sagt Lodemann, der dazu mit den norddeutschen Wirtschaftsministern im Gespräch ist. Nur der Bund ist reserviert: „Bis 2016 brauchen wir ein überarbeitetes Lotsengesetz“, sagt Lodemann, „sonst haben wir bald keine Leute mehr.“

In Beckmeyers Grundsatzpapier indes findet sich dazu kein Wort. Dabei sei „die Ausbildung von maritimen Nachwuchs von elementarer Bedeutung“, sagt Wilms: „Die Zeit wird verdammt knapp.“

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