Maja und Till über die feministische Antifa: „Der eigene Sexismus wird selten reflektiert“

Am Wochenende findet in Hamburg ein feministischer Antifa-Kongress statt, der zeigen soll, dass Antifa mehr sein kann, als Straßenkampf.

Will Männerbünde auflösen: feministische Antifa in der Göttinger Innenstadt. Foto: Creative Commons

taz: Maja und Till, ist Antifa eine männliche Angelegenheit?

Maja: Grundsätzlich nicht. Bei antifaschistischer Arbeit geht es darum, Faschismus, Rechtspopulismus und Neonazi-Strukturen zu bekämpfen und ihnen ein eigenes Verständnis davon entgegenzusetzen, wie eine diskriminierungsfreie Welt aussehen soll.

Wieso wird die Szene dann trotzdem von Männern dominiert?

Till: Wenn man sich anguckt, wen Antifa-Politik anspricht, sind das hauptsächlich Menschen, die sich männlichen Idealen wie Stärke, Macht und Auseinandersetzungsfähigkeit zugehörig fühlen.

25, will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, studiert in Hamburg und engagiert sich zu Antifa-Themen, organisiert den Antifa-Kongress mit.

23, die Studentin, die ihren Namen nicht sagen will, kommt aus der queerfeministischen Szene und ist im Orga-Bündnis des Antifa-Kongresses aktiv.

Woran liegt das?

Till: Antifa-Arbeit wird in der Regel nur als direkte Konfrontation mit den Rechten wahrgenommen. Und diese Auseinandersetzung findet meistens auf der Straße statt.

Aber ist es nicht genau das, worum es bei Antifa geht: Nazis boxen?

Maja: Es geht darum, rechte Strukturen und Ideologien zu bekämpfen.

Was bedeutet Antifa denn noch – außer Straßenkampf?

Till: Eine gemeinsame politische Idee zu haben. Dass man sich entscheidet, Faschismus in der Gesellschaft anzugehen.

Maja: Konkret heißt das auch Bildungsarbeit und Erinnerungsarbeit. Und ein Verständnis dafür aufzubauen, warum Faschismus ein Problem ist.

Der Antifa fehlt es also an Bildungsarbeit und deshalb ist eine feministische Antifa nötig. Ist man da nicht wieder bei stereotypen Geschlechterrollen?

Maja: Ich sehe Bildung nicht als Frauensache. Darüber hinaus müssen wir davon weg, dass es bei antifaschistischer Arbeit primär um Straßenkampf geht. Denn davon werden hauptsächlich Männer angezogen und so drehen wir uns im Kreis. Wir müssen das Bild der Antifa ändern und da helfen feministische Positionen.

Das Ziel der feministischen Antifa ist also nicht, dass künftig mehr Frauen Nazis boxen?

Maja: Nein, es geht darum, dass die Antifa Frauen, Homosexuelle, Transmenschen und von Rassismus betroffene Menschen nicht mehr ausschließt.

Warum ist das so wichtig?

Maja: Erstens, weil es kacke ist, in einer Organisation zu sein, die ausschließend ist. Zweitens können wir uns das nicht leisten. Wir haben einen krassen Rechtsruck in Europa, in Deutschland, in Hamburg. Da können wir es uns nicht leisten, unser eigenes Süppchen zu kochen, weil wir es geil finden, Nazis zu boxen. Wir wollen, dass die Antifa keine Bühne mehr für Selbstdarstellung ist, sondern dass es um die politischen Inhalte geht.

Woran macht es sich bemerkbar, dass Antifa zur Bühne für Selbstdarstellung geworden ist?

Till: Bei öffentlichen Ereignissen, wenn es darum geht, zu zeigen, dass man eine große, starke Gruppe zusammengekriegt hat. Aber man sieht es auch in Videos, Texten, auf Stickern, wo hauptsächlich Männer abgebildet sind und gezeigt wird, dass man es geschafft hat, Nazis von der Straße wegzukriegen.

Maja: Man sieht es auch daran, wie geredet wird. Es geht viel darum, die Stärke der eigenen Subkultur darzustellen. Zentrale Elemente sind Gewalt, Stärke, Durchsetzungsfähigkeit. Ganz wichtig ist die Abwertung des politischen Feinds als feige, hinterhältig, schlecht.

Und das ist typisch männlich?

Maja: Ja, und das sind auch Elemente, die sich in der faschistischen Ideologie wiederfinden. Wenn beispielsweise das Leben von Nazis als nicht lebenswert abgewertet wird.

Antifa hat also faschistoide Züge?

Maja: Ich will nicht sagen, dass Antifa faschistische Strukturen reproduziert, sondern nur, dass es gefährlich ist, wenn man sich nicht mit faschistischer Ideologie auseinandersetzt, sondern es nur um die Auseinandersetzung mit dem politischen Feind geht.

Ist Sexismus ein Thema in Antifa-Kreisen?

Till: Ja, aber die Auseinandersetzung läuft unserer Meinung nach auf einem zu niedrigen Niveau.

Maja: Häufig ist es ein Mit-dem-Finger-auf-andere-zeigen. Der eigene Sexismus wird selten reflektiert. Eher so nach dem Motto: Ich habe einen Sexisten gehauen! Da sind wir wieder bei der Bühne.

Wieso dürfen auch Männer zum heute beginnenden feministischen Antifa-Kongress in Hamburg kommen?

Maja: Es sollen sich nicht nur Frauen mit Feminismus beschäftigen. Wir wollen ja Männer dazu bringen, Sexismus zu reflektieren und einen anderen Umgang mit dem Patriarchat zu finden. Und sie dazu bringen, ihre Privilegien abzugeben. Wir streben eine Antifa-Bewegung an, in der sich Leute wohlfühlen, die sich nicht dem binären Geschlechtersystem zuordnen.

Geht Feminismus nicht ohne Männer?

Maja: Wenn es darum gehen soll, Frauen in Führungspositionen zu bringen, braucht man nicht unbedingt Männer. Aber wir wollen nicht nur patriarchale Mechanismen, sondern alle Unterdrückungsmechanismen abschaffen. Das ist einfacher, wenn die Leute, die die Privilegien innehaben, das verstehen und bereit sind, sie abzugeben.

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