Lockerungs-Kritik der Kanzlerin: Eine gefährlich bequeme Haltung

Ja, wir werden noch lange mit dem Corona-Virus leben müssen. Aber wie wir uns schützen, müssen wir im Detail ausdiskutieren. Auch Angela Merkel.

Angela Merkel im Bundestag.

Maßnahmen immer wieder diskutieren: Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Kanzlerin bleibt im Ungefähren: Im Bundestag beklagte Angela Merkel am Donnerstag, dass einige Bundesländer ihre Corona-­Restrik­tionen zu stark zurückfahren würden. Die Lockerungen seien „in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen zu forsch“. Welche Länder und welche Maßnahmen sie konkret meint, sagte Merkel aber nicht. Eine gefährlich bequeme Haltung – kommt es doch gerade auf die Abwägung im Einzelfall an.

Hatte die Kanzlerin zum Beispiel die Rückkehr zur Versammlungsfreiheit im Kopf? Zuletzt waren Demonstrationen vielerorts pauschal verboten. Ein schwerer Grundrechtseingriff, dessen Notwendigkeit der Staat umso besser begründen muss, je länger er andauert. In der Bund-Länder-Vereinbarung der letzten Wochen, die als Leitlinie für erste Lockerungen dienen sollte, tauchte das Thema trotzdem nicht auf. Dass einige Länder über die Absprache hinausgehen und kleine Demos unter Auflagen wieder zulassen, ist nicht forsch. Es ist höchste Zeit.

Oder dachte Merkel daran, dass Kinder mancherorts zurück auf die Klettergerüste dürfen? Berlin will seine Spielplätze als Vorreiter nächste Woche wieder öffnen. Abstandsregeln gelten auch dort, zur Not kann die Polizei eingreifen. Die Ansteckungsgefahr sinkt dadurch nicht auf null. Das Restrisiko muss aber gegen die Bedeutung dieser Orte für Kinder abgewogen werden. Auch das ist nicht forsch, sondern sogar nach Auffassung von KinderärztInnen dringend geboten.

Oder dachte Merkel an ihren Möchtegern-Nachfolger Armin Laschet, der in Nordrhein-Westfalen die Möbelhäuser öffnet? In der Bund-Länder-Vereinbarung war das tatsächlich nicht vorgesehen. Die Mundschutzpflicht, die die Ladenöffnung in NRW begleiten soll, allerdings auch nicht. Am Ende vielleicht ein Nullsummenspiel?

Im Kern hat Merkel natürlich recht: Wir werden lange Zeit mit dem Virus leben müssen. Und wir werden uns in dieser Zeit wirksam schützen müssen. Welche Mittel dafür geeignet sind – das müssen wir allerdings im Detail ausdiskutieren. Immer wieder.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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