Licht und Schatten bei Höwedes: Leichter Zugang über links

Streichkandidat, Stammspieler, Sicherheitsrisiko: Der Außenverteidiger steht exemplarisch für die schwankenden Leistungen des deutschen Teams.

Szene aus dem Ghana-Spiel: Gegenspieler vorbei, Höwedes am Boden Bild: ap

RIO DE JANEIRO taz | Eine Unmenge an Debatten sind in den letzten Tagen nach dem Remis gegen Ghana rund um das deutsche Team angestoßen worden. Sollte Philipp Lahm nicht wieder auf der rechten Außenseite verteidigen, wo ihm weltweit eigentlich kaum einer Konkurrenz machen kann? Wäre der matte Sami Khedira nicht besser auf der Bank und Schweinsteiger auf dem Platz aufgehoben?

Und was ist bloß mit Mario Götze los? Sollte man das Flügelspiel nicht besser mit André Schürrle oder Lukas Podolski beleben? Und der Ausgleichstreffer von Stoßstürmer Miroslav Klose hat nicht nur bei vielen einen Seufzer der Erleichterung ausgelöst, sondern auch alte deutsche vernehmbare Sehnsüchte geweckt, das Spiel auf einen Chancenvollstrecker auszurichten.

Und über allem schwebte noch die Diskussion, ob gegen die US-Amerikaner nicht wieder ein verschobenes Spiel droht wie bei der WM 1982. Wiederholt sich die sogenannte Schande von Gijón, da mit einem Remis sich sowohl das Team von Joachim Löw als auch das seines alten Kollegen und Weggefährten Jürgen Klinsmann fürs Achtelfinale qualifizieren würde?

Angesichts dieser Diskussionsfreude erstaunt es, dass Benedikt Höwedes bislang recht ungeschoren davongekommen ist. Denn eigentlich steht er wie kaum ein anderer derzeit für das mögliche Leistungsgefälle, das dieser Mannschaft eigen zu sein scheint. Vor dem Turnier in Brasilien galt der Schalker als einer der ersten Streichkandidaten des WM-Kaders, vor dem Auftaktspiel gegen Portugal als eine Notlösung auf der linken Außenverteidigerposition und nach der Begegnung als einer der großen Gewinner der siegreichen deutschen Elf.

Außer Kontrolle

Dass die zweite Partie der Vorrunde gegen Ghana so völlig außer Kontrolle geriet, hatte dann wiederum viel mit Höwedes zu tun. Denn über seine linke Seite hatten die Ghanaer mit dem deutlich schnelleren Christian Atsu den leichtesten Zugang zu Neuers Tor. Zu seiner Rolle im WM-Team hatte Höwedes zuvor gesagt: „Es wird nicht darum gehen, mit meinem starken linken Huf sensationelle Flanken zu schlagen. Ich soll meine defensiven Qualitäten einbringen.“

Nun, die Turnierstatistik weist in der Tat noch keine einzige Flanke von Benedikt Höwedes auf, aber er bereitete immerhin per Kopf den Ausgleichstreffer von Klose vor. Möglicherweise schützte ihn auch dieser Assist vor größeren Debatten. Hinten links verbreitete der gelernte Innenverteidiger allerdings große Unsicherheit. Man muss dem 26-Jährigen zugutehalten, dass er ansonsten nur auf der rechten Seite verteidigt hat.

Dem links eingeübten Dortmunder Außenverteidiger Erik Durm hat er dennoch den Rang abgelaufen. Auch wenn sein Einfluss und sein Einfallsreichtum für das Offensivspiel deutlich begrenzter ist. Und dass dies derzeit nicht auch noch öffentlich ausdiskutiert wird, dürfte Bundestrainer Löw ganz recht sein.

Diskrete Mahnung

„Keine dummen Situationen im Aufbauspiel provozieren.“ Das sei, so verriet Thomas Müller, ein zentrales Vorhaben des deutschen Teams gegen die US-Amerikaner. Eine Mahnung zugleich, die nach den letzten Eindrücken auch ganz diskret an die Adresse von Höwedes gerichtet sein dürfte. Ansonsten wird sich bald alles um seine Person und möglicherweise das vorzeitige Scheitern der Deutschen bei dieser WM drehen. Aber daran verschwendet derzeit seltsamerweise kein Mensch einen Gedanken.

Auch im deutschen Team redet man derzeit allenfalls über die Rolle von Lahm. Und auch das nur auf eine sehr indirekte Weise. „Wenn, dann wird darüber diskutiert, warum diskutiert wird in den Medien“, erklärte Thomas Müller. Das DFB-Team scheint derzeit über allem zu stehen.

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