Leipziger „Republik Freies Deutschland“: Sonderbare Staatsgründer

Eine Gruppe in Leipzig ruft die „Republik Freies Deutschland“ aus – als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Sie gibt sich eigene Pässe und will auch eigene Autokennzeichen.

„Das tun Kinder auch“: König im eigenen Reich spielen. Bild: imago/Karina Hessland

DRESDEN taz | Seit dem 1. Mai ist Schluss mit der fortgesetzten Bevormundung Deutschlands. „Aus den Wohnzimmern heraus“, verkündet die Pressemitteilung aus Leipzig, habe sich eine „Republik Freies Deutschland“ gegründet. An Stelle der „Staatssimulation Bundesrepublik“, so der Kommissarische Präsident Peter Frühwald, verstehe man sich als einzig legitimer Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Bei der UNO ist die Staatsgründung bereits angezeigt worden. Ab 1. August will man mit der Ausgabe von Pässen und anderen Dokumenten beginnen.

Das Vorgehen ähnelt dem der so genannten „Reichsbürger“, die das angebliche völkerrechtliche Provisorium Bundesrepublik zum Vorwand nehmen, Bußgeldbescheide oder andere Verwaltungsakte abzulehnen. Fünf selbsternannte Reichskanzler sollen derzeit miteinander konkurrieren. Der Verfassungsschutz Brandenburg hat in diesem Jahr eine ausführliche Handreichung zum Umgang mit ihnen veröffentlicht und auf Querverbindungen in die rechtsextreme Szene verwiesen.

Mit diesen Reichsbürgern möchten Peter Frühwald und seine über die Bundesrepublik verteilte „Regierung“ nicht verwechselt werden. Aber deren Rechtspositionen teile man schon, sagt er im Gespräch mit der taz. Seine Begriffswahl erinnert an Verschwörungstheorien und Verfolgungswahn. Eine Treuhandverwaltung auf Basis der Haager Landkriegsordnung tarne nur die andauernde Herrschaft der Alliierten. Die würden Deutschland im Bunde mit Israel knebeln und „melken“ und übten Pressezensur aus. Am Tag der Deutschen Einheit 1990 hätten nur „zwei Leichen Hochzeit gefeiert“.

Der 52-jährige Frühwald, der über 80 Millionen vermeintlich unaufgeklärten Deutschen seine Wahrheit vermitteln will, hat schon eine farbenfrohe politische Laufbahn hinter sich. 26 Jahre war er in der CDU/CSU, stellvertretender Bezirksleiter der Deutschen Angestelltengewerkschaft in München ist er gewesen, ab 2005 dann vier Jahre bei der FDP Berlin, später wurde er Weggefährte von Gabriele Pauli in der „Freien Union“. Über die auch im Internet präsente AG Staatliche Selbstverwaltung verbreitet Frühwald seine Thesen von der vorenthaltenen Souveränität Deutschlands.

Durch die Meinungsfreiheit gedeckt

Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer, Professorin für Völkerrecht, hat für solche „Staatsgründungen“ nur eine wegwischende Handbewegung. Ihr Kollege Ulrich Fastenrath von der TU Dresden stellt klar, dass Rechtsnachfolgefragen schon im Verfassungsgerichtsurteil 1973 zum Grundlagenvertrag und im 2+4-Vertrag von 1990 geregelt wurden. Er verweist auch auf ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zum Kosovo, wonach Staatsgründungen nicht nur rechtliche Vorgänge seien, sondern mit tatsächlicher Machtausübung verbunden sein müssen. Formale Proklamationen aber seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Justiziabel könnte es möglicherweise bei der Ausübung hoheitlicher Akte wie der Ausgabe von Personalausweisen oder Autokennzeichen werden. „Das tun Kinder auch“, meint Fastenrath. Aber mit einer eigenen Kranken- und Kfz-Versicherung, mit Verwaltungsgebühren für eine eigene Grundbuchstelle, einer Verwaltungsabgabe von 120 Euro und kostenpflichtigen Musterformularen für Behörden gehe das „Freie Deutschland“ doch weit. Diese Internetangebote in Verbindung mit Fanartikeln wie Fahnen und Aufklebern riechen eher nach Abzocke einiger Naiver als nach Selbstbefreiung von Fremdherrschaft.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund von Leserhinweisen wurde die Überschrift dieses Artikel nachträglich geändert.

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