Lehrerin mit Kopftuch: Stoff für einen Prozess

Eine Lehrerin klagt gegen das Kopftuchverbot im Schuldienst. Gewinnt sie, muss Berlin sein Neutralitätsgesetz ändern. Erst im Oktober hat der Senat das abgelehnt.

Schülerinnen dürfen, Lehrerinnen nicht: Kopftuch im Klassenzimmer. Foto: DPA

Gerade hatte sich der rot-schwarze Senat darauf geeinigt, das Berliner Neutralitätsgesetz beizubehalten. Es verbietet den Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Tragen sichtbarer religiöser Kennzeichen. Nun kommt es zu einer ersten Klage gegen das umstrittene Gesetz.

Klägerin ist eine Lehrerin islamischen Glaubens, die sich im Bewerbungsverfahren für den Dienst an öffentlichen Schulen benachteiligt sieht, weil sie ein Kopftuch trägt. Die Frau, die das Referendariat und beide Staatsexamen absolviert habe, sei bei einem LehrerInnencasting – eine Art Massenvorstellungsgespräch zwischen Lehrkräften und Schulleitungen – gefragt worden, ob sie das Tuch im Unterricht ablegen werde. Als sie verneinte, sei sie von anwesenden VertreterInnen der Senatsschulverwaltung auf das Neu­tralitätsgesetz hingewiesen worden, das ihr dann die Arbeit im Schuldienst verbiete, berichtet die Rechtsanwältin Maryam Haschemi Yekani, die die Klägerin vertritt. Spätere Bewerbungsgespräche seien abgesagt worden, sobald die Klägerin ihr Kopftuch erwähnt habe. Es sei damit „nie um Fähigkeiten und Qualifikationen“ ihrer Mandantin gegangen. Die Klage wird im April vom Arbeitsgericht verhandelt.

Berlin verbietet mit dem Neutralitätsgesetz seit 2005 „Beamtinnen und Beamten, die im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs oder der Polizei“ beschäftigt sind sowie „Lehrkräften und anderen Beschäftigten mit pädagogischem Auftrag in öffentlichen Schulen“ das sichtbare Tragen von Symbolen oder Kleidungsstücken, die „eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft“ erkennen lassen. Das Gesetz war in die Diskussion geraten, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar entschieden hatte, ein pauschales Kopftuchverbot für LehrerInnen sei nicht mit der Bekenntnisfreiheit vereinbar. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob das Kopftuch einer Lehrerin den Schulfrieden bedrohe. In Berlin kam der Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses daraufhin zu dem Schluss, dass auch das Landesgesetz entsprechend überarbeitet werden müsse. Der rot-schwarze Senat beschloss im Oktober trotzdem, es unverändert beizubehalten.

Ihre Mandantin habe mit der Klage „so lange wie möglich gewartet“, so Haschemi Yekani, da die Hoffnung bestanden hätte, dass das Neutralitätsgesetz vom Senat geändert werde. Die Frau, die „keine Berufsanfängerin“ sei, habe sich durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil ermutigt gefühlt, sich an öffentlichen Schulen zu bewerben.

Unterstützung für die Klage

Die Juristin und Leiterin des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin, Eva Maria Andrades, sieht gute Erfolgsaussichten für die Klage. Denn: „Auch wenn das Berliner Gesetz alle religiösen Symbole verbietet, sind faktisch nur muslimische Frauen mit Kopftuch in ihrer Religions- und Berufsfreiheit durch das Verbot betroffen.“

Berlin habe mit der Entscheidung, trotz des Bundesverfassungsgerichtsurteils das Neutralitätsgesetz beizubehalten, „geltendes höheres Recht übergangen“, sagt auch Nina Mühe vom Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit. „Das ist keine haltbare Situation.“ Beide Beratungsstellen unterstützen die Klägerin, die laut ihrer Anwältin derzeit keine Interviews geben will.

„Das Neutralitätsgesetz hat sich bewährt“, so die Haltung der Senatsbildungsverwaltung laut ihrer Pressestelle. Derzeit gebe es sechs weitere angehende Lehrerinnen mit Kopftuch unter insgesamt 2.700 ReferendarInnen. Sollte die Klägerin vor dem Arbeitsgericht gewinnen, steht ihr eine Entschädigung von drei Monatsgehältern zu. Und Berlin müsste das umstrittene Gesetz doch noch ändern.

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