Leerstand in Bremen: Viel Platz für Flüchtlinge​

Müssen Turnhallen beschlagnahmt werden? Das Problem ist selbst gemacht: Es gibt viele Gewerbe-Immobilien, die lange leer stehen.

Firmensitz der untergegangenen Reederei Beluga

Hier wäre Raum für Geflüchtete: Firmensitz der untergegangenen Reederei Beluga Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | Wenn man sich die Angebote von Bremer Gewerbe-Immobilien anguckt, die zum Teil seit Jahren leer stehen, dann fragt man sich: Musste das sein, dass lauter Turnhallen beschlagnahmt wurden, um Flüchtlinge unterzubringen? Auf den Teerhof etwa stehen im ehemaligen Sitz von Beluga gleich mehrere Etagen leer, seit Jahren schon. Hauseigentümerin ist die Bremer Landesbank, die im Besitz des Landes Bremen ist. Es gab sogar ein Restaurant in der obersten Etage, das als Küche nutzbar wäre. Zu edel, werden Kritiker sagen, zu fein für Flüchtlinge. Nun wird weiter der Leerstand verwaltet.

Auch die „umgedrehte Kommode“ auf dem Stadtwerder steht seit Jahren leer. Die neuen Besitzer haben sie billig bekommen und scheinen auf eine Wertsteigerung zu spekulieren. „Eigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen,“ heißt es ausdrücklich in der Bremer Landesverfassung. Ausführungsbestimmungen dafür gibt es aber nicht.

Auch im früheren Verwaltungsgebäude der NordCom in Woltmershausen, Dötlinger Straße 6, stehen weit mehr als 1.000 Quadratmeter leer. Bis vor wenigen Jahren wurden die Büros genutzt, ein Plattenbau, also eher schäbig – und keine prominente Adresse, einigermaßen unsichtbar. Die Immobilienverwalter Sirius versucht auch das Objekt schräg gegenüber, Hausnummer 3, als „Business Park“ zu vermarkten –bisher vergebens. Käme es für Flüchtlinge infrage? „Wir stehen in Gesprächen“, heißt es bei der Sirius. Immerhin: Über eine Unterkunft für Flüchtlinge in der Hermann-Ritter-Straße hat man sich schon geeinigt. Die Makler verwalten auch leer stehende Flächen auf dem Brinkmann-Gelände.

Leer steht auch die ehemalige Grundschule im Stephanie-Quartier. Oder Immobilien der Telekom, zum Beispiel in der Holsteiner Straße in Osterfeuerberg. Und die ehemaligen Max-Bahr-Baumärkte, etwa in Habenhausen. Die Eigentümer behaupteten vor Monaten, sie hätten konkrete andere Pläne. Daraus geworden ist offensichtlich nichts – wenn es sie denn gab.

Vielleicht würde die Drohung mit einer Beschlagnahmung helfen, wie Die Linke sie fordert. „Da gibt es hohe rechtliche Hürden, deswegen ist das für uns kein Thema“, sagt der Sprecher der Sozialbehörde. Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Björn Fecker, nebenberuflich Sportfunktionär, sieht das anders. Warum soll das, was der grüne Justizsenator in Hamburg versucht, nicht auch in Bremen gehen? Eine rechtliche Grundlage für eine Beschlagnahmung soll von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossen werden. Laut Polizeirecht können Immobilien beschlagnahmt werden, wenn eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ besteht – das soll ausgeweitet werden auf den drohenden Fall massenhafter Obdachlosigkeit. Auch beim grünen Bausenator in Bremen denkt man inzwischen über das Thema nach. Am Montag will die Fraktion der Grünen über eine entsprechende Initiative für Bremen beraten.

Und dann ist da auch noch das alte Hauptzollamt in der Hans-Böckler-Straße im Stadtteil Utbremen. Es gehört dem Staat. Seit Ende des vergangenen Jahres ist klar: Der Zoll würde es Bremen zur Verfügung stellen – mietkostenfrei. Warum ist es nicht längst belegt? Anfangs hieß es, das gehe nicht: In den Plänen ist die Fläche ein Gewerbegebiet, und für eine Umwandlung in eine Wohnungsfläche ist es dort gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz zu laut.

Solche selbst gemachten Hürden sind inzwischen beseitigt, die Umbauplanungen haben begonnen – so einfach, wie man dachte, kann man es nicht nutzen. „Das läuft“, sagt der Sprecher der Sozialsenatorin – und hofft, dass es bald fertig wird.

Bisher noch hält das Sozialressort 1.000 Plätze in Zelten bereit. Und die Turnhallen. Die sollen nur „so kurz wie möglich“ in Anspruch genommen werden, versichert das Sozialressort. Wie lange ist kurz? Das weiß niemand. „Die segeln auf Sicht“, sagt ein Beobachter.

Nach den Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden in diesem Jahr 800.000 Flüchtlinge in ganz Deutschland erwartet. Bremen muss davon rund 8.000 aufnehmen.

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