Laudatio von Bernd Pickert : Taina Gärtner

Bernd Pickert würdigt Taina Gärtner, Gewinnerin des taz Panter Jurypreises.

Bernd Pickert lobt Taina Gärtners grenzenloses Engagement. Bild: Hein-Godehart Petschulat

Im Folgenden bilden wir das Manuskript der Laudatio von Bernd Pickert auf die Aktivistin Taina Gärtner ab, Gewinnerin des Jurypreises beim taz Panter Preis 2018. Die Laudatio wurde am Abend des 15. September 2018 im Deutschen Theater in Berlin gehalten. (Anm. d. Red.)

Liebe Nominierte, liebe taz Genossen und Genossinnen, liebe Gäste, liebe Freunde und Freundinnen der taz Panterstiftung.

Jury-Sitzungen sind manchmal ein quälender Prozess. Jury-Sitzungen für den taz Panterpreis umso mehr, weil zwar der eine Teil daran Spaß macht, also: Jemandem einen Preis zuerkennen zu können. Aber der andere Teil, der nun mal untrennbar dazugehört, macht überhaupt keinen Spaß. Sprich: Vier anderen zu eröffnen, dass sie den Preis leider nicht bekommen.

Das wäre dann ganz einfach, wenn man nur einen Nominierten gut und den Rest blöd fände. Aber wenn die anderen blöd wären, wären sie nicht hier. Im Ernst: Auch in diesem Jahr ging es uns so wie vermutlich Ihnen in diesem Moment, da Sie alle Nominierten erlebt haben: Gerade in diesen schrägen, von der Wiederkehr der aller hässlichsten Fratzen deutscher Geschichte verseuchten Momenten brauchen wir dringend das Engagement von allen, die hier heute vorgestellt wurden. Man will alle unterstützen, will niemanden leer ausgehen lassen.

Da hab ich eine gute Nachricht: Dafür können Sie sorgen! Am Ausgang des Saales und im Foyer stehen Spendenbehälter, und je mehr Sie da gleich hineinwerfen, desto mehr können alle Nominierten für ihre Projekte mit nach Hause nehmen, die heute hier keinen Preis bekommen haben.

Jurypreis für Taina Gärtner

Ich denke, der Punkt ist klar geworden. OK, nun aber. Weil ja so eine Jury nicht dafür da ist, keine Entscheidung zu treffen, dann bräuchte man ja keine, hat sie sich entschieden. Der taz Panterpreis der Jury 2018 geht an Taina Gärtner!

Warum haben wir uns für Taina Gärtner entschieden? Taina wird immer mal als „Vollzeitaktivistin“ beschrieben. Ich glaube, auch in der taz stand das. Ehrlich gesagt, ich hadere mit dem Begriff. „Vollzeitaktivistin“, das klingt, als würde sie rund um die Uhr andere Menschen mit ihrer Meinung behelligen. Das könnte erstens ganz schön nervig sein, und zweitens trifft es das auch glaub ich nicht. „Vollzeitmensch“ wäre der Ausdruck, den ich gebrauchen würde.

arbeitet seit 1994 als taz Auslandsredakteur mit Schwerpunkt Amerika. Sein Interesse speziell für Lateinamerika entwickelte er während seines Politologiestudiums in den 1980er-Jahren, zunächst als Solidaritätsaktivist für Nicaragua, später mit ersten journalistischen Texten. Von 2000 bis 2012 war er Mitglied des taz Vorstands. Den Panter Preis unterstützt er schon seit Jahren als Mitglied der Jury. Seit August 2015 ist er außerdem privat aktiv in einer Fahrradwerkstatt für Geflüchtete in Berlin-Karlshorst.

Wenn wir uns mal an den Brecht-Text aus dem Einheitsfrontlied von 1934 erinnern: Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern, er will unter sich keinen Sklaven sehn, und über sich keinen Herrn.

Das Lied wurde als Aufruf zur Einheit gegen den Faschismus geschrieben, aber es blieb auch allgemeingültig, als der noch nicht wieder um die Ecke lugte. Taina ist ein Mensch, und sie handelt als Mensch. Sie stellt sich selbst nicht in den Mittelpunkt, sie schaut um sich herum. Und wenn sie ein Problem sieht, das sie auch nur vielleicht lösen kann, kann sie nicht wegsehen.

Sie packt an und lässt nicht mehr los

Sie hätte – wie wir alle es andauernd machen – tausend Gründe, warum sie das doch gar nichts angeht. Aber da würde sie nicht glücklich werden, also packt sie an. Und sie lässt nicht mehr los, auch wenn es mitunter Jahre sind, die darüber ins Land gehen. Diejenigen, mit denen sie seit der Besetzung des Oranienplatzes zusammenarbeitet, können das bestätigen.

Wir versuchen oft, Projekte auszuzeichnen, die einen Nachahmereffekt haben könnten – „das kann ich doch auch!“ So wie Taina Gärtner zu leben, ist nicht leicht, und vielleicht ist es noch nicht einmal erstrebenswert.

Aber: Wenn wir alle uns auch nur zehn Prozent von ihrem Verantwortungsgefühl abschneiden würden, dann sähe unsere Welt ganz anders aus. Und dann, und nur dann, bräuchte es auch gar niemanden mehr, der sich so umfassend engagiert wie Taina Gärtner. An diesem Punkt sind wir aber nicht.

Und deshalb: Manchmal muss man auch diejenigen unter uns besonders stärken, die eben nicht sind wie wir alle. Wir hoffen, dass der Panterpreis das kann, liebe Taina. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für deine wichtige Arbeit.

Bernd Pickert, 15. September 2018, Deutsches Theater, Berlin.