Late Night Shows auf Erfolgsspur: Besser spät als nie

Lange hieß es, die klassische Late Night Show abseits von Harald Schmidt funktioniere nicht. In Spartensendern erlebt das Format jetzt eine Konjunktur.

Pierre M. Krause, Gastgeber der gleichnamigen Show, posiert nach der Show im SWR-Studio.

Comedian Pierre M. Krause posiert im Fernsehstudio. Foto: dpa

Die Mitarbeiterin bringt noch drei junge Menschen zu ihren Plätzen, dann ist das Studio gefüllt. „Wir sind zum ersten Mal überbucht“, erfährt das Publikum. Die restlichen Mittzwanziger vor der Tür werden vertröstet.

Es ist die vierte Sendung der Late Night Show „Boomarama“ in zwei Tagen, die hier am frühen Abend in den Fernsehstudios am Berliner Spreeufer aufgezeichnet wird. Bevor es losgeht, begrüßt Gastgeber Aurel Mertz die 50 bis 60 Gäste per Handschlag und „Gettofaust“, gibt sich locker und macht Witzchen.

Der 26-Jährige wirkt dennoch etwas angespannt, man merkt ihm an, dass dieses Prozedere noch nicht zur Routine geworden ist. Es ist noch kein Jahr her, dass er von Tele-5-Chef Kai Blasberg einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die sechs Ausgaben der ersten Staffel musste er noch vor gefühlt zwanzig Leuten und einem schlichten blauen Vorhang moderieren, für die neuen Folgen steht er nicht nur vor deutlich mehr Studiozuschauern, sondern auch einer richtigen Kulisse: Backsteinmauern eines heruntergekommenen Hotels, eine kleine Bar, Flamingo-Figuren.

Dass er auf dem Minisender, dessen durchschnittliche Einschaltquote bei ein Prozent liegt, und auf dem er einmal wöchentlich nach Mitternacht senden darf, noch nicht wirklich bekannt geworden ist, ist klar, doch in der jungen Zielgruppe kennt man ihn. Da passen auch seine heutigen Gäste, eine Moderatorin des Web-TV-Senders Joiz, der er einen harmlosen Streich gespielt hat, und der Bonner Rapper SSIO, der mit seinem aktuellen Album immerhin auf Platz 1 der Charts eingestiegen ist.

TV-Nischenthema

Nach der Aufzeichnung gibt sich Mertz zufrieden: „Im ersten Block gibt es immer ein paar Kinderkrankheiten, aber an sich bin ich wahnsinnig glücklich.“ Doch warum zieht der talentierte Absolvent der sechsmonatigen Frank-Elstner-Masterclass die Spätausstrahlung im Spartensender einem deutlich zielgruppenaffineren YouTube-Kanal vor?

„Boomarama“ mit Aurel Mertz: ab 3. März immer donnerstags um 0.20 Uhr auf Tele 5

„Die Pierre M. Krause Show“: kommt jeden Dienstag um 23.30 Uhr auf dem Sender SWR3

„So eine Plattform gibt es im Internet nicht“, antwortet Mertz. „In der Zukunft wird das vielleicht eine Plattform wie Netflix sein, aber Tele 5 ist gerade für mich das Beste, was mir passieren kann. Weil ich machen kann, was ich will, und trotzdem das Budget bekomme, um mich weiterzuentwickeln.“

Late Night ist in Deutschland ein TV-Nischenthema, das weiß kaum jemand besser als Pierre M. Krause. Nach dem Abschied von Stefan Raab gehört er hierzulande zu den am längsten amtierenden Gastgebern des Formats. Seit 2005 moderiert der 39-Jährige wöchentlich die “SWR3 latenight“, ursprünglich aus einer Kooperation zwischen Radio und Fernsehen hervorgegangen.

Seine Show hält sich an den klassischen Ablauf: „Man kommt heraus, erzählt ein paar Witze, geht an den Schreibtisch, unterhält sich mit Promis. Es gibt ein paar Filme, und am Ende spielt eine Band.“ Dass die Sendung aus Baden-Baden zuletzt weit nach Mitternacht ausgestrahlt wurde und nur überschaubare Zuschauerzahlen vorweisen konnte, hat ihre Existenz nicht infrage gestellt, im Gegenteil.

„Dadurch, dass die Sendung so billig war, hat es sich auch nicht gelohnt, sie abzusetzen. Und man konnte sich auf die Fahnen schreiben, etwas für die jüngeren Leute zu machen“, sagt Krause. Und fügt hinzu: „Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass es die Sendung so lange gibt: weil sie so wenig geschaut wurde. Auch von den Verantwortlichen.“

Initialzündung

Krause wurde im Late-Night-Geschäft durch seine Sidekick-Auftritte in der „Harald Schmidt Show“ bekannt. Bis heute ist Schmidt hier der Übervater des Genres und für viele der Einzige, bei dem das aus den USA importierte Format funktioniert hat und über mehrere Jahre hinweg erfolgreich war. Krause erinnert sich an „eine fantastische, lehrreiche und launige Zeit“ und schwärmt: „Man übt mit dem Meister, das ist, wie von Boris Becker Tennis beigebracht zu bekommen.“

Auch der gebürtige Stuttgarter Mertz nennt Schmidt als Initialzündung: „Die beste Freundin meiner Mutter hat sich über Harald Schmidt beschwert und gesagt: ‚Der macht die Show ja nur noch für sich selbst.‘ Ich war 15 und habe gedacht, das muss ich mir mal anschauen, wenn der so viel Spaß hat.“ Nachdem sich sowohl Schmidt als auch Stefan Raab vom Bildschirm verabschiedet haben, wird das tägliche Late-Night-Format im deutschen Fernsehen nicht mehr bedient. „In Amerika hätte nach Stefan Raab jemand anderes TV Total‘ übernommen, umgekrempelt, mit einem neuen Studio versehen, aber es wäre auf demselben Sendeplatz weiter ausgestrahlt worden. So wie es mit der ‚Tonight Show‘ in ihrer Historie immer wieder passiert ist“, ist sich Krause sicher.

Jahrelang haben sich zahlreiche prominente Moderatoren wenig erfolgreich am Late-Night-Show-Format in Deutschland abgearbeitet, doch nun scheint das Genre Aufwind zu bekommen, zumindest in den Spartenkanälen. Einsfestival sendet die aktuelle Ausgabe der „Tonight Show“ mit Moderator Jimmy Fallon, und seit Entertainer Jan Böhmermann wöchentlich auf ZDFneo mit seinem „Neo Magazin Royale“ für spektakuläre Coups in der Unterhaltungs- und Medienlandschaft sorgt, erhält das Format wieder mehr Aufmerksamkeit, von dem auch Krause profitiert.

Immerhin wurde seine Sendung gerade in „Die Pierre M. Krause Show“ umbenannt, er hat ein neues, größeres und deutlich wertigeres Studio spendiert bekommen sowie einen früheren Sendeplatz: „Ich freue mich total, dass so viel über Jan Böhmermann gesprochen wird, weil er dieses Format bedient und auch viel – bewusst und mit Ansage – adaptiert“, so Krause. „Eine Late Night -Show, über die geredet wird, ist gut für das Format.“

Neue Generation

Auch bei Tele 5 hat man, im Rahmen der Möglichkeiten, in Aurel Mertz und „Boomarama“ investiert, wie Produzent und Geschäftsführer Andreas Geier von Strandgutmedia sagt: „Der Schritt, den er jetzt macht, das ist schon Fernsehen.“ Nachwuchshoffnung Mertz sieht die Zeit für Veränderung gekommen: „Raab ist weg, Schmidt ist weg. Es wäre schön, wenn jetzt eine neue Generation drankäme.“

Aber die Shows haben noch ein Manko: Sie werden mehrere Tage oder sogar Wochen vor ihrer Ausstrahlung aufgezeichnet. Damit gehen ihnen zwangsläufig zwei der wichtigsten und interessantesten Faktoren einer regelmäßigen Late Night Show ab: Spontanität und Aktualität.

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