Lärmverschmutzung: Tödlicher Schall für Meeressäuger

Die zunehmende Nutzung der Ozeane durch Militär und Industrie gefährdet Wale und Defline. Meeresbiologen fordern mehr Langzeitforschungen.

Über 100 gestrandete Wale in Tasmanien. Opfer von Sonargeräten der US-Marine? Bild: dpa

Eigentlich müsste Wolfgang Dinter zufrieden sein. Schließlich ist er Gast auf einer der bisher größten wissenschaftlichen Konferenzen seines Fachgebiets. Im dänischen Ostseeort Nyborg sitzt seit Montag die Kompetenz der internationalen Meeresbiologie zusammen, um ihr Wissen über die Wirkung von Lärm auf Lebewesen in den Ozeanen zusammenzutragen. Geärgert hat sich der Experte für Meeressäugetiere beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) trotzdem, als er einen Blick auf die Sponsorenliste der Konferenz geworfen hat. Dort finden sich unter anderem der internationale Verband der Öl- und Gasproduzenten sowie die Forschungsabteilung der US-Marine (Navy).

Diese solventen Finanziers haben laut Dinter schon lange einen großen Einfluss auf die sehr aufwändige akustische Auswirkungsforschung, weil sie viele Projekte in diesem Bereich finanzieren: "Da kann manchmal der Eindruck der Einflussnahme auf die Auswahl der Forscher und auf die Ergebnisse der geförderten Forschung entstehen." Gerade die Technologie, mit der das Militär und die Rohstoffkonzerne die Ozeane untersuchen, ist in der Vergangenheit immer wieder für gestrandete Wale verantwortlich gemacht worden.

Etwa im Jahr 2000 bei den Bahamas im Atlantik: Damals strandeten 17 Meeressäuger verschiedener Arten nach dem Test einer Mittelfrequenz-Sonaranlage vor der Küste durch die US-Navy, mindestens sechs Wale und ein Delfin verendeten. Die Verantwortlichen mussten später eingestehen, dass ihr Sonar, das eigentlich feindliche U-Boote im Meer aufspüren soll, der wahrscheinlichste Auslöser für das ungewöhnliche Verhalten der Tiere war.

Bei Untersuchungen wurden Ohr- und Hirnschäden festgestellt, durch die die hörempfindlichen Säugetiere womöglich die Orientierung verloren haben. Seit den späten 90er Jahren sind zahlreiche ähnliche Fälle dokumentiert. Viele Fachleute wie die kanadische Biologin Linda Weilgart haben heute keinen Zweifel mehr daran, dass Lärm Meeressäugetiere beeinflussen und töten kann.

Artenschutzverbände beklagen daher auch den zunehmenden "Hintergrundlärm" in den Ozeanen, der bei Meeressäugern Stress verursachen kann. Laut Wolfgang Dinter vom BfN hat sich, vorsichtig geschätzt, der Lärmpegel auf den großen Handelsrouten der Industrieländer in den vergangenen 50 Jahren pro Jahrzehnt verdoppelt.

Geht es aber um die genauen Auswirkungen von Schall auf Populationen von Meeressäugern, tun sich die BiologInnen nach wie vor schwer mit klaren Aussagen. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Wie der Lärm mit anderen Umweltschäden zusammenwirkt ist nicht untersucht. "Wir wissen so gut wie nichts über die Tiefsee, wie sollen wir da klare Aussagen über die Wirkung von Schall treffen können?", sagt eine Teilnehmerin auf der Konferenz. Dinter fordert daher Langzeitmessungen über die Schallentwicklung in der Nord- und Ostsee. Aber dafür fehlt meist das nötige Geld.

Neue Lärmverschmutzer haben es da häufig leichter. Aktuelles Beispiel: Trotz Einwänden des BfN gegen ein Gas- und Ölerschließungsprojekt der BASF-Tochter Wintershall im Bereich der "Doggerbank" in der Nordsee, wurde die Suche mit Luftkanonen vom Land Niedersachsen genehmigt. Die Kanonen tasten nun mit bis zu 180 Dezibel lauten Impulsen den Meeresboden ab. Auch die in dem Schutzgebiet heimischen Schweinswale, die laut WWF durch solche Lautstärken Hörschäden erleiden können, waren dafür kein Hinderniss.

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