Kubas Antwort auf die Wikipedia: Surf den Fidel Castro

5 Seiten über Lenin und Maradona, 8 Seiten über Fidel Castro und Hugo Chávez und alles über das "US-Imperium". Mit EcuRed.cu hat Kuba eine eigene Wikipedia entwickelt.

Wie nennen wir das nur? Vielleicht so: Wissen, anders aufbereitet: EcuRed. Bild: screenshot ecured

Compañeras und Compañeros, Völker der Welt, seit dem 13.12. ist sie endlich da, die andere Wikipedia. "Das Wissen aller für alle", so verspricht es Enciclopedia_cubana:EcuRed.cu, die Enciclopedia de Cuba im Netz.

Aufgebaut wie die Wikipedia des Klassenfeindes, will sie die informieren, "die wegen der Blockade Kubas durch die USA keinen Zugang zum Internet haben" und natürlich auch alle in dieser Ecúmene (Ökumene), die den anderen "antikolonialen" Blickwinkel und Standpunkt suchen. Neben lexikalen Einträgen gibt es Aktuelles zum Tage.

Endlich wird im Netz Klartext geredet. Die USA "ist das Imperium unserer Tage", "das sich historisch gesehen dadurch auszeichnet, das es mit Gewalt anderen Nationen und Ländern die Rohstoffe ausplündert, um sie seinen Unternehmen und Monopolen zuzuführen". Während unter "Aktuelles" ein Artikel von Fidel Castro höchstpersönlich "das Imperium auf die Anklagebank" setzt wegen der juristischen Verfolgung des Wikileaks-Gründers Julian Assange, berichtet der Ländereintrag von den jüngsten Entwicklungen in Sachen rassistischer Immigrantengesetzgebung in Arizona.

Dass das gleiche Land seit zwei Jahren einen afroamerikanischen Präsidenten hat, kommt in EcuRed nicht vor. Wer nach Barack Obama sucht, findet keinen eigenen Eintrag. Das gleiche gilt für Bill Clinton oder Al Gore, während das Lieblingsfeindbild, die Dynastie Bush, mit Vater und Sohn George sowie Bruder Jeb gleich dreimal vertreten ist.

An großen us-amerikanischen Vorbildern für den Antiimperialisten fehlt es dennoch nicht. Prominenteste Vertreterin ist Angela Davis, "marxistische Politikerin und afroamerikanische Aktivistin". Um ihren festen Klassenstandpunkt zu untermauern schmückt ein Bild der Professorin aus Kalifornien den Text, wie sie einem anderen großen Marxisten die Hand schüttelt. Richtig: Es ist Erich Honecker, der sich – das wussten Sie sicher nicht - ähnlich wie Davis weigerte einem Imperium Gehorsam zu leisten. Ja, unser Erich widersetzte sich den "russischen Anweisungen" von Michail Gorbatschow das Land zu reformieren und "trat zurück".

Surfen auf EcuRed ist ein Interneterlebnis besonderer Art. Überall tauchen Castro-Fotos und Che-Parolen auf, wenn denn die Seite denn mal lädt. Wie einst zu Zeiten der Modems ist es der Charme der Langsamkeit, der den besonderen Reiz ausmacht. "Diese Seite hat ein Problem" – "Server nicht gefunden" – "Host überlastet" - EcuRed ist auch die Wikipedia der Fehlermeldungen. Der verzweifelte Antiimperialist wird in solchen Fällen umgeleitet - auf die Google-Suche.

Der schönste Fehler ereignete sich übrigens mit dem Suchbegriff "primavera negra" – "schwarzer Frühling" – wie die Kubaner die Verhaftung von 75 oppositionellen Journalisten, Schriftstellern und Bloggern aus dem Jahr 2003 nennen. "Syntaxfehler bei Abfrage der Datenbank" erschien auf dem Bildschirm.

Die kubanische Wikipedia hat nicht nur Prinzipien, sie hat auch ihre Regeln. Sachlich und objektiv soll sie sein. Keine ausschmückenden Adjektive sollen benutzt werden. "Schreibe kurze Sätze. Durch Punkte getrennt", empfiehlt das stilistische Handbuch. Natürlich geht das nicht immer und ganz besonders dann nicht, wenn es um die Errungenschaften des "historischen Führers der kubanischen Revolution" Fidel Castro geht, der nach langer Krankheit einen "gloriose Rückkehr" hatte. Der Mann hat so viele große Verdienste, dass der Eintrag mit einer Aufzählung über sage und vor allem schreibe 13 herausragenden Leistungen beginnt. Ein ganzer Abschnitt ohne einen einzigen Punkt.

EcuRed gibt auch Aufschluss darüber, wer das heutige Kuba prägen soll. Einträge zu Trotzki oder Mao - um von Descartes, Rousseau, Hegel oder Kant ganz zu schweigen - fehlen. Auch Breschnew und Gorbatschow sind abwesend. Raúl Castro bringt es wie der brasilianische Präsident Lula auf nur 3 Druckseiten. Lenin, Engels, Fußballstar Diego Armando Maradona – der Fidel die Hand schüttelt - auf 5, Che Guevara und Stalin auf 6, Fidel Castro und Hugo Chávez auf 8 und Nationalheld José Martí auf ganze 19.

Wer das alles lesen soll? Die geliebten Compañeras und Compañeros auf Kuba ganz sicher nicht. Selbst wer einen Computer hat, kommt nur schwer an einen Internetzugang heran. Und wer das Glück hat, von einem Touristen einen Gutschein für das Cybercafé in einem großen Hotel spendiert zu bekommen, hat sicher Besseres zu tun, als in EcuRed zu surfen. Schade eigentlich.

Denn so entgeht dem Internauten die beliebte und lehrreiche Spalte, was an einem Tag wie heute vor x Jahren geschah. Wussten Sie etwa, dass am 15.12.1991 der "Verband der Kämpfer der Kubanischen Revolution" gegründet wurde? Oder 1990 der erste Internationale Kongress der Kubanischen Höhlenforschervereinigung stattfand?

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