Kriselndes Hamburger Tennisturnier: German very open

Zum letzten Mal veranstaltet Michael Stich das Tennisturnier am Rothenbaum. Unter dem neuen Macher ist alles drin – von Renaissance bis Abwicklung.

Gut gefülltes Stadion am Hamburger Rothenbaum beim Beachvolleyball Grand Slam 2016.

Geht doch: Volle Hütte unterm maroden Faltdach – allerdings beim Beachvolleyball 2016 Foto: dpa

HAMBURG taz | Der 5. Mai 2002 war ein guter Tag für Kim Clijsters – und ein schlechter für das Damentennis in Deutschland. Kurz nach 16 Uhr hatte die damals 18 Jahre alte Belgierin ihren Matchball verwandelt und das Finale des WTA-Turniers am Hamburger Rothenbaum gegen die US-amerikanische Titelverteidigerin Venus Williams mit 1:6, 6:3, 6:4 gewonnen. Sie sackte dafür als Siegprämie 93.000 US-Dollar ein. Das Turnier besaß zu der Zeit reichlich Renommee, es war die absolute Weltklasse am Start.

Jener Augenblick des Triumphs der späteren Weltranglistenersten Clijsters war aber auch einer des Abschieds. Seit diesem Tag machen die besten Tennis-Damen einen Bogen um Hamburg – weil es das 1896 erstmals ausgetragene Turnier seitdem nicht mehr gibt.

Nach dem Karriereende von Steffi Graf und Anke Huber befand sich das Damentennis in Deutschland in einer tiefen Krise. Die Tickets für die Veranstaltung fanden zu wenig Abnehmer. Und so verkaufte die Women’s Tennis Association (WTA) die Lizenz für das Turnier nach Philadelphia. Von jenem Tag an war es eine „Man’s World“ auf der roten Asche des Rothenbaums, der Wiege des deutschen Tennissports.

Das Damen-Turnier könnte wieder kommen

Genau zwei Wochen sind es noch bis zum Beginn der German Open, die schon seit Jahren von finanziellen Problemen gebeutelt werden. Turnierdirektor ist zum letzten Mal Michael Stich. Fürs nächste Jahr übernimmt der österreichische Unternehmer Peter-Michael Reichel, der im vergangenen Jahr die Lizenz für das Rothenbaum-Turnier von 2019 an für fünf Jahre erworben hat. Und dann sind alle Optionen denkbar – auch das Comeback eines Damen-Turniers. Er würde „gerne ein Damenturnier dazunehmen, um die ganze Veranstaltung auf zwei Wochen auszubauen“, hat Reichel gesagt.

Reichel kennt sich gut aus in dem Metier. Der 65 jährige Oberösterreicher organisiert mit seiner Agentur Matchmaker die Damenturniere in Linz und Nürnberg. Seine Tochter Sandra Reichel ist an beiden Standorten Turnierdirektorin.

Die Männer-Weltspitze hat Hamburg auch längst vom Kalender gestrichen. Top-Spieler ist dieses Jahr der Weltranglisten-Siebte Dominic Thiem aus Österreich, drei weitere stehen in den Top-20.

Die deutschen Hoffnungen ruhen auf Peter Gojowczyk (Rang 50), Maximilian Marterer (49) und dem mittlerweile 34-jährigen Philipp Kohlschreiber (22). Die Hamburger Stars Alexander (3) und Mischa (94) Zverev sind erneut nicht dabei.

Turnierdirektor Stich selbst tritt zu einem sogenannten Legendmatch mit dem US-Amerikaner John McEnroe an. Es werde sein letzter öffentlicher Auftritt sein, versprach Stich: „Mit 50 Jahren sollte Schluss sein.“ McEnroe ist 59.

Definitiv plane man mit dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) ein weiteres Damenturnier in Deutschland, so Reichel: „Theoretisch kann das unsere Nürnberger Lizenz sein, theoretisch könnte das auch eine neue, sehr theoretisch auch meine Linzer Lizenz sein.“ Dies hieße dann für den Fall, dass es in Hamburg ein neues Damenturnier geben sollte, dass das in Nürnberg oder – eher unwahrscheinlich – jenes in Linz verschwindet. Der Turnierplan der WTA ist so dicht, dass für neue Veranstaltungen arrivierte weichen müssten.

Vielleicht ist 2019 auch ganz Schluss

Denkbar wäre aber auch, dass im kommenden Jahr am Rothenbaum niemand mehr aufschlägt, weil Reichel – entgegen seinen ersten Ankündigungen – doch nicht die notwendige Modernisierung der Anlage angeht. Allein das Faltdach bereitet Sorgen genug. Säubern lässt es sich nicht mehr, dafür ist es zu verdreckt. Ein neues soll 900.000 Euro kosten.

Reichel hat auch schon deutlich gemacht, dass er sich beim Lizenz-Erwerb nicht fix auf Hamburg verpflichtet habe, allerdings auf den Standort Deutschland. Stich bekümmert das, er sagte im vergangenen September dazu: „Ich habe große Sorge, dass unser Tennisturnier aus Hamburg verschwindet.“ Kurz vor dem Beginn der German Open scheint alles möglich.

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