Krise beim FC Nürnberg: Abstiegsangst gehört zum Alltag

Nach Jahren in ungewohnten Tabellenregionen steht der 1. FC Nürnberg vor dem Duell gegen den Hamburger SV wieder da, wo er hingehört: eher unten.

Die da oben und wir da unten: 55 Millionen setzen die Franken um. Der Ligaschnitt liegt bei 115 Millionen Bild: dpa

NÜRNBERG taz | Gern präsentieren sie beim 1. FC Nürnberg die schönen Bilder aus der Vergangenheit. Bei jedem Heimspiel flimmern Sequenzen einer längst vergangenen Epoche über die Videowände des Stadions: Zu Beginn verwandelt der langhaarige Libero Horst Weyerich einen Elfmeter, am Ende taucht das Konterfei des legendären Torwarts Heiner Stuhlfauth auf, nach dem die Wirtsstuben am Eingang des Trainingsgeländes benannt sind.

Aktuell böte es sich auch an, Filmschnipsel aus der allerersten Saison der Fußball-Bundesliga zu zeigen. Etwa aus dem Dezember 1963, als eine aufopferungsvoll kämpfende Nürnberger Elf um Max Morlock auf dicker Schneedecke einen sehr viel höher eingeschätzten Hamburger SV mit Uwe Seeler und Charly Dörfel 3:2 besiegte. Es war ein wichtiger Sieg gegen den Abstieg – am Saisonende belegte der „Club“ den neunten Platz.

50 Jahre später wäre Marin Bader heilfroh, sollte sich die Geschichte tatsächlich wiederholen. Der Manager des 1. FC Nürnberg weiß nur zu gut, dass sich die Fußballbegeisterung im Frankenland vornehmlich aus unzähligen verbindenden Erinnerungen speist. Und nun steht der FCN erneut vor einem wegweisenden Duell mit dem HSV.

„Wir brauchen mit aller Macht einen Dreier, denn wir hängen ein paar Punkte hinterher“, sagt Michael Wiesinger mit Blick auf das sonntägliche Spiel. Der Chefcoach und der 45-jährige Sportvorstand spüren nach einem „wackligen Start“ (Bader) eine gewisse Unruhe, aber die, beteuert Wiesinger, „nehme ich gar nicht so wahr“. Der Manager lässt auf den 40-jährigen Trainer nichts kommen, „weil er ein ausgewiesener Fachmann ist“.

Realismus heißt: Im unteren Drittel der Tabelle

Stattdessen appellieren die beiden Gestalter am Valznerweiher an „den Realismus“. Denn aus zwei zehnten und einem sechsten Rang in den vergangenen drei Spielzeiten wäre, so Bader, „eine andere Erwartungshaltung erwachsen“. Sachlich betrachtet aber seien am Standort Nürnberg immer Abstiegssorgen zu befürchten: „Wenn die anderen ihre Hausaufgaben machen, dann wissen wir, wo wir uns einzuordnen haben“, sagt Bader. Und meint: im unteren Drittel.

Nur weil Klubs wie Hamburg, Stuttgart, Bremen, Wolfsburg oder Hoffenheim ihre deutlich besseren Möglichkeiten zuletzt vergeudet haben, konnten die Nürnberger zuletzt die frei gewordenen Nischen besetzen. Bader verweist auf einen Personalkostenetat, der bei lächerlichen 22 Millionen Euro liegt und damit der drittniedrigste der Liga ist.

Nur 55 Millionen Euro setzen die Franken in einer Saison um – deutlich weniger als der Ligaschnitt von 115 Millionen und sogar weniger als ein Verein wie Mainz 05, der einen Jahresetat von immerhin 80 Millionen stemmt. Der alltägliche Kampf gegen den Abstieg wird vom zur mürrischen Depression neigenden Franken nicht nur emotional gern angenommen („Der Club is a Depp“), sondern ist schlussendlich vor allem strukturell bedingt.

Gute Spieler werden regelmäßig verkauft

Trotzdem blieben die skandalfreien Nürnberger in der vergangenen Saison sorgenfrei, weil Hiroshi Kiyotake so formidable Standards schlug. Aber nicht nur beim Japaner sind die Schwankungen in dieser Spielzeit größer geworden. Als Beleg kann das jüngste 3:3 beim SV Werder gelten, das schon fünfte Unentschieden. „Wir laufen nur dem verlorenen Heimspiel gegen Augsburg hinterher“, beteuern Bader und Wiesinger unisono. Es könnte also durchaus sein, dass der „Club“, obwohl er offensichtlich vieles richtig macht, am Ende der Saison trotzdem absteigt.

In Nürnberg muss man regelmäßig die Stützen der Mannschaft verkaufen und darauf setzen, dass unbekannte Profis sich zu gestandenen Bundesligaspielern entwickeln: so wie der derzeit verletzte Stürmer Daniel Ginczek oder der für immerhin 2,2 Millionen Euro verpflichtete Schweizer Josip Drmic, der vom FC Zürich kam. Doch was, wenn das sich immer gleiche Wagnis diesmal nicht auszahlt? Bader hätte seinen Job verfehlt, wenn er deshalb langfristig die Rahmenbedingungen nicht gerne ändern würde.

Vor allem beim Stadion ist die Erlössituation unbefriedigend, weil viele Einnahmen an die Betriebsgesellschaft und nicht an den Verein fließen. Her soll stattdessen ein reines Fußballstadion wie in Mönchengladbach, Frankfurt oder Stuttgart. Das würde anstelle der zur Weltmeisterschaft 2006 zuletzt umfangreich renovierten Spielstätte errichtet, bei der nicht nur die Tartanbahn stört und auf die Stimmung drückt.

Mal ein, zwei Gläschen Wein? Wir verharmlosen unseren Alkoholkonsum, warnen Drogenbeauftragte. Warum auch Sie Ihr Trinkverhalten vielleicht überdenken sollten, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 5./6. Oktober 2013 . Darin außerdem: Es ist nicht rassistisch, Differenzen zu benennen – sie zu verschweigen ist das Problem. Und: Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit über Männer, Mythen und Gewalt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Derzeit prüft eine Machbarkeitsstudie, was Um- oder Neubau kosten würde, Stadt und Verein müssten eine Gesellschaft gründen, dann könnten irgendwann die Bagger rollen. Und neben exklusiven Hospitality- und Logenbereichen würden bestimmt auch edle Videowände für die schönen Bilder aus der Vergangenheit nicht fehlen.

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