Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen: Multipel kriminelle Neonazis

Rechtsextremisten tauchen in NRW mit großer Häufigkeit auch in der allgemeinen Kriminalstatistik auf. Das Land sieht eine Gefahr für die ganze Gesellschaft.

Innenminister Ralf Jäger im Landtag. Bild: dpa

DÜSSELDORF taz | Neonazis verfügen über eine weitaus höhere kriminelle Energie als gemeinhin angenommen. Das zeigt eine neue Auswertung der Kriminalstatistik für das Jahr 2012 in Nordrhein-Westfalen, die Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) am Dienstag in Düsseldorf präsentierte.

Danach sind rechtsextremistische Straftäter noch gefährlicher, als es allein die Zahl der politisch motivierten Straftaten erkennen lässt. „Die Statistik belegt, dass auf nahezu jedes bekannt gewordene politisch motivierte Gewaltdelikt von Rechtsextremisten zwei weitere Gewaltdelikte der Allgemeinkriminalität kommen“, sagte Jäger.

Auf Anordnung Jägers werden in Nordrhein-Westfalen seit Anfang 2012 alle Straftaten von Neonazis gesondert ausgewiesen, auch die nicht als politisch motiviert geltenden. Die Bilanz: Auf 192 politisch motivierte Gewaltdelikte kommen 349, die die Ermittlungsbehörden der Allgemeinkriminalität zugeordnet haben. Darunter ein Tötungsdelikt, 275 Körperverletzungen und vier Sexualdelikte.

Insgesamt verübten Rechtsextremisten im vergangenen Jahr in dem bevölkerungsreichsten Bundesland 4.411 Straftaten. Mehr als die Hälfte davon waren Propagandadelikte, wie Volksverhetzung oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die restlichen Taten reichten vom Erschleichen von Leistungen über Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Sachbeschädigungen und Nötigungen bis zu Diebstahl und Raub.

„Ihre Straftaten ziehen sich durch das ganze Strafgesetzbuch“, sagte Innenminister Jäger. „Das zeigt, dass Rechtsextremisten eine Gefahr für unsere gesamte Gesellschaft sind.“ Es handele sich um „Täter, die nicht nur auf Ausländer einprügeln, sondern auch der Oma die Handtasche rauben“, so der Innenminister.

170 besonders gefährlich

Nach Staatsschutzerkenntnissen sollen rund 800 gewaltbereite Neonazis an Rhein und Ruhr ihr Unwesen treiben. Davon gelten 170 als besonders gefährlich. Im Rahmen des Ende 2011 aufgelegten landesweiten „Intensivtäterkonzepts Rechts“ stehen sie unter spezieller Beobachtung des Polizeilichen Staatsschutzes. Ihre Aktions- und Handlungsspielräume würden „spürbar eingeschränkt“, sagte Jäger. Dabei würden sich die Behörden allerdings nicht allein auf rein repressive Maßnahmen beschränken. „Wir wollen, dass unser polizeiliches Handeln zu einem Abbruch krimineller Biografien führt und dem Betroffenen eine Perspektive gibt.“

Zufrieden zeigte sich der Minister mit den Anfang 2012 eingerichteten Sonderkommissionen der Polizei in Aachen, Dortmund, Köln und Wuppertal. Durch den hohen Ermittlungsdruck und das Verbot mehrerer rechtsextremistischer Gruppierungen seien „große Löcher in das Netzwerk der Neonazis gerissen“ worden. So sei es in Wuppertal innerhalb eines Jahres gelungen, durch massive Präsenz den „harten Kern“ der als gefährlich eingestuften Rechtsextremisten um ein Drittel zu verringern.

Wir treten den Neonazis auf die Springerstiefel“, versicherte Jäger. Dazu gehört auch eine ausgiebige Beobachtung der Splitterpartei „Die Rechte“ unter Führung des Norddeutschen Neonazis Christian Worch, die als Auffangbecken für die Mitte 2012 zwangsaufgelösten Kameradschaften in Aachen, Dortmund und Hamm gilt. Chancen für ein Verbot sieht er allerdings aufgrund des Parteienprivilegs derzeit nicht.

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus sei „eine Daueraufgabe“, sagte Jäger. „Wir brauchen einen langen Atem.“ Polizeiliche Maßnahmen alleine reichten dafür allerdings nicht aus. Es gehe, sagte der SPD-Politiker, auch um einen Kampf um die Köpfe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.