Kostenloser Online-Comic „Madaya Mom“: Syrische Mutter als Comic-Heldin

Dalibor Talajic zeichnet den Überlebenskampf im Bürgerkriegsland. Sein Online-Comic lebt von den Erzählungen einer anonymen Mutter.

Die Seite eines Comics zeigt das Bild einer Familie in einem Zimmer

Die erste Seite des online kostenlos zugänglichen Comics „Madaya Mom“ Foto: Marvel Comics/Dalibor Talajić

NEW YORK afp | „Madaya Mom“ ist keine Superheldin mit übernatürlichen Kräften und dennoch Hauptfigur eines Comics des US-Verlags Marvel: Die syrische Mutter lebt mit Mann und fünf Kindern in Madaya, das seit zwei Jahren von Regierungstruppen belagert wird – nahezu ohne Kontakt zur Außenwelt, unerreichbar für Hilfskonvois und Journalisten. Der Comic beschreibt in etwa 30 Bildern das erschütternde Schicksal der Familie, wie es Tausende andere in Syrien erleiden.

Initiiert wurde das Projekt vom US-Sender ABC, nachdem sein Reporterteam daran gehindert worden war, aus der belagerten Stadt zu berichten. Journalisten des US-Senders bauten einen Kontakt zu der rund 30-jährigen Frau auf, die mit ihrer Familie ausharrt in der 40.000-Einwohner-Stadt nahe der libanesischen Grenze.

Seit Mitte 2015 wird Madaya vollständig von der Armee belagert. In zahllosen Nachrichten beschrieb die Mutter den Überlebenskampf ihrer Familie. Daraus machten die beiden Disney-Unternehmen einen auf der ABC News-Website kostenlos zugänglichen Comic – und illustrierten meist schwarz-weiß die Schrecken, die Kameras nicht einfangen konnten. Zuvor produzierte der Verlag auch Comics über Papst Johannes Paul II., Franz von Assisi und Mutter Teresa.

Die Zeichnungen zeigen kaum blutige Szenen, leben vielmehr von den herzzerreißenden Erzählungen der Mutter. Seit Madaya von der Versorgung abgeschnitten ist, starben mehr als 60 Menschen an Hunger und Unterernährung. „Unsere Körper sind an Nahrung nicht mehr gewöhnt“, heißt es in einem Bild. „Meine Kinder haben Hunger, bekommen aber schlimme Bauchschmerzen vom Essen, weil ihre Körper es nicht verdauen und aufnehmen können, da sie so lange hungerten.“

Eine Gratwanderung, die Not nicht auszubeuten

Der kroatische Zeichner des Comics, Dalibor Talajic, erlebte den Unabhängigkeitskrieg seines Landes 1991 mit und hat sich mit der genauen Darstellung von Gesten und Mimik einen Namen gemacht. Bei „Madaya Mom“ habe er darauf geachtet, nicht in Sensationsgier zu verfallen, sagt Talajic. „Ich wollte keinen Kriegscomic machen. Ich wollte einen Comic aus der Sicht der Zivilbevölkerung machen, die wirklich machtlos ist. Man kann nichts tun, nur darauf warten, dass es vorbeigeht oder dass man stirbt.“

Talajic wurde bekannt mit seiner Arbeit an „Deadpool“, einem Comic über Antihelden, der 2016 auch als Film erschien. „Ich versuche immer, die Dinge vertraut zu halten, geerdet, glaubhaft“, sagt er. Doch den düsteren Alltag einer belagerten Stadt ohne Übertreibung zu zeigen, sei nicht einfach gewesen: „Es war eine Herausforderung, eine Gratwanderung, ihre Not nicht auszubeuten.“ Schließlich habe er nie Fotos der Familie gesehen.

Auch kleine Lichtblicke gibt es in der Geschichte, kurze Momente des Vergnügens und der Geselligkeit, etwa als nach langer Zeit die Schule wieder ihre Türen öffnet, zur großen Freude der Töchter von „Madaya Mom“. Doch schnell holt der Schrecken sie wieder ein: Kurz darauf zerreißt eine Bombe mehrere Freundinnen vor ihren Augen.

ABC gelang es, seiner Informantin einige der Comic-Bilder zukommen zu lassen. „Sie fand, Talajic hat die Züge der Menschen erfasst, die Atmosphäre, die Stadt“, sagt ABC News-Produzentin Rym Momtaz. Und Talajic verspricht seiner anonymen Heldin: „Wenn sie je aus der Stadt herauskommt, dann bekommt sie die Zeichnungen.“

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