Korruption in Verwaltung und Wirtschaft: „Keine X-Euro-Grenze“

Der Leiter der Zentralen Antikorruptionsstelle Bremens erklärt die Schwelle, hinter der gut gemeinte Geschenke unter den „Anschein der Bestechlichkeit“ fallen.

Das Thema Rüstungsexporte ist Schwerpunkt der ZAKS. Im Visier: Rheinmetall. Foto: Matthias Balk/ dpa

taz: Herr Heinke, Sie sind Leiter der Zentralen Bremer Antikorruptionsstelle, das heißt, Sie haben 40.000 Staatsdiener unter sich?

Daniel Heinke: Unter mir nicht. Aber die Zentralstelle ist zuständig für das Land Bremen.

Haben Sie viel zu tun?

Ja.

Wie viele Fälle liegen bei Ihnen auf dem Tisch?

41, war Staatsanwalt und Lehrbeauftragter für Straf- und Strafprozessrecht und ist seit 2012 Leiter der Zentralen Antikorruptionsstelle (ZAKS) im Land Bremen.

Im Jahr 2014 wurden bei der Zentralen Antikorruptionsstelle 10 neue Ermittlungsverfahren eingeleitet, denen insgesamt 25 mutmaßliche Korruptionsstraftaten zugrunde lagen. Die weit überwiegende Anzahl der Verdachtsfälle richtete sich gegen Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen. Diese Verfahren sind dabei zumeist – wie üblich im Bereich der Wirtschaftskriminalität – sehr umfangreich.

Worum geht es da?

Das Thema Rüstungsexporte ist bei uns zu einem Schwerpunkt geworden, Bestechung ausländischer Amtsträger. In diesem Zusammenhang wurde bei uns erstmals eine gemeinsame Ermittlungsgruppe von ZAKS, Polizei Bremen und Steuerfahndung Bremen eingerichtet.

Nennen Sie mal Namen.

Die Informationshoheit über Einzelfälle liegt bei der Staatsanwaltschaft. Die hat zum Beispiel mitgeteilt, dass sie gemeinsam mit uns, der Polizei und der Steuerfahndung ermittelt gegen die Firmen Rheinmetall und Atlas Defence Electronic, da geht es um Bestechung ausländischer Amtsträger.

Welches Ausland?

Griechenland.

Ihr Alltag bezieht sich vermutlich sonst mehr auf kleine Summen?

Das kann man so nicht sagen. Die Präventionsarbeit ist sehr erfolgreich, die Fälle in der Bremischen Verwaltung gehen zurück.

Für die öffentliche Verwaltung gelten ja ganz andere, strengere Maßstäbe. Ist das ein Problem bei Schulungen, wenn Sie sagen müssen: Sie arbeiten im Öffentlichen Dienst, Sie dürfen 100 Euro nicht annehmen?

Bargeld darf auch niemand in der privaten Wirtschaft annehmen. In der Wirtschaft geht es eher um Sachleistungen, Einladungen zu Festveranstaltungen, zu Essen. Bei Mitarbeitern, die aus der Wirtschaft in den Öffentlichen Dienst wechseln, müssen wir tatsächlich erst einmal für Akzeptanz für die strengeren Regelungen werben.

Hat Melf Granz, der Oberbürgermeister von Bremerhaven, bei Ihrer Schulung nicht aufgepasst?

Sie müssen verstehen, dass ich zu laufenden Ermittlungsverfahren keine Auskunft geben darf. Das machen zudem die Kollegen in Bremerhaven.

Wenn eine Firma wie die ePhilos-AG, die dem Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Kottisch gehört, Bremerhavener MitarbeiterInnen der Beschaffungsstelle zum Weihnachtsessen ins Variete-Theater einlädt – hätten die Eingeladenen in Ihrer Schulung lernen müssen, dass das ein No-Go ist? Oder gibt es Umstände, unter denen so etwas nicht den Korruptionsverdacht begründet?

Ich kann den konkreten Vorgang nicht kommentieren. Generell ist es so: Es gibt eine Verwaltungsvorschrift über die Annahme von Belohnungen und Geschenken. Danach darf ein Mitarbeiter Zuwendungen nur annehmen, wenn er das vorher seinem Vorgesetzten angezeigt hat und wenn das genehmigt worden ist. Davon wären nur „geringwertige Aufmerksamkeiten“ ausgenommen, also der Kugelschreiber oder ein Schreibblock. In Bremen gibt es dafür keine X-Euro-Grenze. Entscheidend ist, dass nicht der Anschein der Bestechlichkeit entsteht.

Und wenn der Vorgesetzte das genehmigt?

Der Dienstvorgesetzte muss entscheiden, ob hier der Anschein einer Vorteilsnahme entstehen kann. Wenn der Vorgesetzte zu dem Schluss kommt, dass es um mehr geht als um eine Aufmerksamkeit, aber unter Betrachtung aller Umstände nicht der Eindruck einer Bestechlichkeit oder auch nur einer Beeinflussung aufkommen kann, dann kann er das genehmigen. Aber das sollte die Ausnahme sein.

Und wenn der Mitarbeiter sagt: Ein gutes Verhältnis zu der Privatfirma könnte nützlich für den Öffentlichen Dienst sein?

Das wäre nicht zulässig, der Öffentliche Dienst muss neutral auftreten.

Ein anderes Beispiel: Wenn eine Lehrerin am Ende der Schulzeit von den Eltern eines Schülers ein größeres Geschenk bekommt?

Solche Situationen sind nicht ganz einfach, natürlich möchten Eltern sich bedanken. Der Anschein einer Zuwendungsbereitschaft kann aber auch entstehen, wenn es ein jüngeres Geschwisterkind auf der Schule gibt. Man muss also genau hinschauen. Dafür ist die Antikorruptionsbeauftragte des Bildungsressorts zuständig.

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