Konservative in Deutschland: Eine aussterbende Spezies

Früher gab es Kohl oder Kanther. Heute wird die CDU von der bekanntesten Sozialdemokratin Deutschlands regiert. Was ist noch konservativ?

Da verliefen die Fronten noch klar: schwarze Knochen die einen, rote Socken die anderen. Bild: dpa

Schon Franz-Josef Strauß, der für viele noch ein echter Konservativer war, hat die klischeehaften Vorstellung vom Konservativen erschüttert, als er behauptete, die wahren Konservativen seien die, die sich an die Spitze des Fortschritts setzten. Dabei heißt conservare, was der Latein-Liebhaber Strauß ganz besonders wusste, ja eigentlich: bewahren. Das war der Witz.

Man kann, auch wenn man die fortschrittlichere Definition des ehemaligen Verteidigungsministers und bayerischen Ministerpräsidenten zugrunde legt, zu einem Schluss kommen, der in den vergangenen Jahren häufiger gezogen worden ist: Angela Merkel ist nicht konservativ.

Die „Zauder-Künstlerin“ (Nikolaus Blome) neigt weder dazu, sich an irgendwelche Spitzen zu setzen, noch wirkt sie besonders darum bemüht, das Konservative in der CDU zu erhalten. Atomkraft. Wehrdienst. Frauenquote. Selbst das Betreuungsgeld musste der Bundesregierung erst mühsam von der CSU aufoktroyiert werden.

Was ist dann noch konservativ, wenn es schon die Kanzlerin einer einstmals konservativen Partei nicht mehr ist?

Was ist aus den Konservativen geworden?

Mit der TV-Debatte am Sonntag beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Ulrich Schulte und Anja Maier stellen ein Paar vor, das ungleicher nicht sein könnte. Den Kandidaten-Check lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. August/1. September 2013 . Darin außerdem: Was ist konservativ? Auf der Suche nach einer politischen Strömung, die zum Rinnsal geworden ist. Und: Soll man anonyme Kommentare im Netz verbieten? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Heute ist sie aufgeschlossen

taz-Parlamentskorrespondent Stefan Reinecke hat sich für die Ganze Geschichte „Unter Denkmalschutz“ in der taz.am wochenende auf eine Reise durch Deutschland gemacht, um Menschen zu treffen, die einmal besonders konservativ waren, es heute aber gar nicht mehr sind, und andere, die sich immer noch dafür halten.

Er hat auch Elisabeth Motschmann getroffen, die Bremer CDU-Politikerin, die in einem Brief an den Rundfunkrat einmal beklagt hatte, dass die Autorin von „Feuchtgebiete“ Charlotte Roche, bei Radio Bremen „3 nach 9“ moderieren durfte.

Motschmann ist sechzig, hat drei erwachsene Kinder, Enkel und ist seit 41 Jahren verheiratet mit Pastor Jens Motschmann. Früher war sie gegen "68", den Hedonismus, Selbstverwirklichungsideen, die Feministinnen. Sie schrieb Bücher über Mütter und Väter. Rechts von Jens und Elisabeth Motschmann war in der CDU nicht mehr viel Platz.

Heute sagt Motschmann: "Wir müssen aufgeschlossen für Neues sein.“

Wer einen Krippenplatz braucht, müsse den bekommen. Männer und Frauen sollen gleichermaßen berufstätig sein können und sich um die Kinder kümmern. Die ideologische Überhöhung der Vater-Mutter-Kind-Norm-Familie zum einzig Wahren ist ihr irgendwo abhanden gekommen.

Graue-Herren-Partei, Grüne, CDU

So ist das mit den Konservativen in der CDU. Man kann die alten Frontverläufe noch sehen, aber die Barrikaden sind abgebaut worden. „Wir verdanken den Feministinnen einiges", sagt Elisabeth Motschmann. Auch sie fordert mittlerweile, dass der Staat den Großunternehmen vorschreibt, wie viele Frauen mindestens in den Vorständen sitzen müssen.

Wenn man dann allerdings in Baden-Württemberg den Haustürwahlkampf eines Grünen-Kandidaten begleitet, stellt man fest, dass der dort auf Frauen trifft, die sich beschweren, dass die Grünen sich zu sehr für die Kitas einsetzten.

Haben manche der wahren Konservativen eine neue Heimat bei den Grünen gefunden? Andere bei der Graue-Herren-Partei Alternative für Deutschland?

Oder sind das alles nur Einzelpositionen, bezogen auf ganz bestimmte Themen, als Anzeichen fürs wahre Konservative völlig überinterpretiert?

An welchen Themen lässt sich dann aber bemessen, ob einer den Konservativen zuzurechnen ist?

Und dann auch: Blome

Die Frage stellt sich gerade auch im Politjournalismus, wo einer, den manche als Liberalkonservativen bezeichnen stellvertretender Chefredakteur des Spiegel werden sollte und für gehörigen Unmut in der Redaktion gesorgt hat. Unter Nikolaus Blomes Leitung hatte die Bild-Zeitung die konservative Hoffnung Theodor zu Guttenberg hochgelobt, Geheimdienste verteidigt und seltsamste Griechenlandberichterstattung betrieben.

Ist Blome zu konservativ für den Spiegel? Oder einfach nur zu haltungslos, weil er manche dieser Positionen nun aufgeben wird müssen?

Und hatte nicht Guttenberg als Verteidigungsminister die Wehrpflicht abgeschafft. Streng konservativ – an der Spitze des Fortschritts?

Die Frontverläufe verwischen zusehends.

Wahrscheinlich ist auch Alice Schwarzer weniger der CDU nähergerückt als umgekehrt. Berufstätige Frauen, feministische Pastorinnen, Quote für DAX-Konzerne, Kitas, rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen - die Konservativen haben es mehr oder weniger akzeptiert. Mal widerwillig, mal aus Einsicht, in einer Mischung aus Opportunismus und besserer Erkenntnis.

Was ist denn nun noch konservativ? Sind es irgendwie auch die Linken, die an alten Positionen festhalten? An welchen Großthemen lässt sich diese politische Haltung noch zielsicher definieren? Oder geht es einfach gar nicht? Was meinen Sie?

Die Ganze Geschichte „Unter Denkmalschutz“ erscheint in der //www.taz.de/Ausgabe-vom-318/192013/!122805/:taz.am wochenende vom 31. August/1. September 2013.

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