Konkurrenz der Gewerkschaften: Zwei Seelen, ach, in meiner Brust!

Die GdL will nicht nur Tarifverträge für Lokführer erstreiten, sondern für alle bei ihr organisierten DB-Mitarbeiter. Für die ist bisher die EVG zuständig.

So wenig los, dass es sich schon die Raben gemütlich machen. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Betrieb, zwei Gewerkschaften. Während die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GdL) am Wochenende weite Teile des Betriebs der Deutschen Bahn erfolgreich lahmlegte, bezweifelte die Konkurrenz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), dass es sich überhaupt um einen regulären Arbeitskampf handelt: Eine „Mitgliederaktion“ nannte EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel den Streik herablassend. Arbeitnehmersolidarität sieht anders aus.

Dabei geht es um Grundsätzliches: Die kleinere Lokführer-Gewerkschaft (Mitglied im Beamtenbund, 34.000 Mitglieder, Tendenz steigend) will nicht nur Tarifverträge für Triebfahrzeugführer erstreiten, sondern für das gesamte fahrende Personal, sofern es bei ihr organisiert ist. Dafür aber war bisher einzig die größere EVG (Teil des DGB, 210.000 Mitglieder, Tendenz fallend) zuständig – und die will sich das nicht nehmen lassen.

„Gewerkschaftskonkurrenz schadet eigentlich allen Beschäftigten. Es wäre sinnvoll, dass Gewerkschaften zusammenarbeiten und nicht gegeneinander“, so EVG-Chef Alexander Kirchner am Freitag. Zugleich beklagt die EVG, dass die GdL-Konkurrenz Unfrieden in den Betrieb trage: „EVG-Lokführer sind beim ersten Warnstreik von GDL-Mitgliedern angepöbelt und beschimpft worden, das möchte ich nicht noch einmal erleben“, sagte EVG-Sprecher Herbert Mahlberg Anfang September.

„Luftnummer ohne Substanz“

Auch die Bahn AG lehnt zwei unterschiedliche Tarife nach Gewerkschaftszugehörigkeit strikt ab. Das bringt wiederum die GdL auf die Palme. Deren Chef Claus Weselsky (CDU) nannte das jüngste verbesserte Bahn-Angebot für die Lokführer „rhetorische Luftnummern ohne jede belastbare Substanz“. Tarifpluralität sei durchaus möglich: „Das Zugpersonal ist in hohem Maße solidarisch untereinander und steht fest zusammen“, erklärte Weselsky am Wochenende.

Beide Gewerkschaften reklamieren für sich, die Mehrheit der Betroffenen zu vertreten. Tatsächlich sind knapp 80 Prozent der DB-Lokführer in der GdL. Strittig ist, wie es um den Rest der Mitarbeiter bestellt ist. Die GdL rechnet das gesamte Zugpersonal zusammen und kommt auf 62 Prozent. Ebendiese Zahl bezweifelt die EVG.

Ungemach droht besonders der GdL durch das von der Großen Koalition geplante Tarifeinheitsgesetz. Es soll die in einem Betrieb tätigen Gewerkschaften dazu zwingen, sich bei Verhandlungen zu einigen. Die kleinere Gewerkschaft fürchtet für diesen Fall den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Spekuliert wird deshalb, dass sie gerade deswegen den Streik eskalieren ließ.

Das Tarifeinheitsgesetz wird aber auch von der EVG abgelehnt. „Wir wollen nicht, dass das Streikrecht berührt wird“, sagte deren Vize Hommel gegenüber Focus.

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