Kongress zu Foodsharing: Das ist doch noch gut!

Wie containern, nur professioneller und legal: Foodsaver retten Lebensmittel vor der Tonne. Über das Netz ist die Bewegung bestens organisiert.

Weltweit wird etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeschmissen. Bild: imago/viennaslide

BERLIN taz | Vier Tage, 700 Kongressteilnehmer*innen, alle umsonst verköstigt – mit Essen, das sonst in der Tonne gelandet wäre. Genau darum ging es den Teilnehmern beim Internationalen Foodsharing-Treffen am Wochenende: Lebensmittel, die noch genießbar sind, vor der Mülltonne zu retten und zu teilen oder selbst zu verbrauchen.

Die Idee hat einigen Zulauf. Raphael Fellmer, Gründer der deutschen Foodsharing-Initiative, sitzt in der Sonne zwischen den anderen Kongressteilnehmenden. „Vor drei Jahren war ich noch allein, jetzt sind wir 6.500, die regelmäßig Lebensmittel bei Supermärkten abholen“, erzählt Fellmer. Er schloss im März 2012 die erste Kooperation mit der Bio-Company. Seitdem geben Filialen der Firma unverkäufliche Lebensmittel an die Aktivist*innen ab. Dem ersten Partner sind über die Jahre weitere Hersteller und Händler gefolgt.

Seit dem Start der Initiative hat sich auch die Zahl der registrierten Foodsaver jedes Jahr verdoppelt oder verdreifacht – so unter anderem werden die aktiven Teilnehmer*innen genannt. Foodsharing ist längst ein Verein mit eigener Internetplattform, über die sich Foodsaver koordinieren und auch privat Lebensmittel für andere zum Abholen bereitstellen können. Die Idee des Containerns – noch genießbares Essen aus den Abfallcontainern der Supermärkte zu „klauen“ – ist legal und professionell geworden. 10.000 Kilo Lebensmittel werden laut Foodsharing täglich bei 1.500 Betrieben abgeholt, viele der kooperierenden Betriebe konnten ihren Biomüll um 50 Prozent verringern.

Allein seit Dezember haben sich 3.000 neue Foodsaver angemeldet. Sarah etwa rettet seit zwei Monaten in Potsdam Lebensmittel. Das meiste kann sie selbst verarbeiten: „Ich bin sehr kreativ geworden im Kochen, backe viel und friere ein“, sagt die Geografiestudentin. Sie kaufe jetzt viel bewusster ein als früher: „Ich frage mich jetzt jedes Mal: Brauche ich das wirklich?“ Das ist es auch, worauf es Raphael Fellmer ankommt: ein verändertes Bewusstsein, eine andere Wertschätzung des Essens, eine aufmerksamere Art des Konsums.

Ein Drittel der Lebensmittel wird weggeschmissen

Noch wird laut der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) weltweit etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeschmissen: 1,3 Milliarden Tonnen im Jahr, das meiste davon in den Industrienationen. Die Menge der durch Foodsaver geretteten Lebensmittel ist im Vergleich dazu verschwindend gering. Fellmers Hoffnung jedoch ist, Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken und dazu beizutragen, dass Konsument*innen nicht mehr vor krummen Gurken und Äpfeln mit Druckstellen zurückschrecken. Und dazu, dass insgesamt weniger produziert und verschwendet wird.

Tatsächlich erlangt die Idee des Foodsharings auch international immer mehr Aufmerksamkeit. Täglich bekommt die Initiative Anfragen aus aller Welt, sowohl von Medien als auch von Motivierten, die Foodsharing in ihrem Land oder ihrer Region aufbauen möchten. In Österreich und in der Schweiz etwa ist Foodsharing bereits aktiv, und aus ganz Europa haben sich schon Interessierte gemeldet, ebenso wie etwa aus Israel, Südkorea und Mexiko.

Romana Romani ist extra aus Italien zum Treffen in Berlin angereist. Nachdem sie Fellmer in einem Fernsehinterview gesehen hatte, gründete sie eine Facebook-Gruppe und regte Menschen dazu an, sich zum Lebensmittelretten zu vernetzen. Es sei sehr schwierig, vor allem in ihrem kleinen Dorf, sagt sie. Doch die Gruppe hat inzwischen 600 Mitglieder, und in den größeren Städten beginnen bereits erste Aktivitäten. Von Berlin aus wird sie nach Turin fahren, um ihre Erfahrungen vom Treffen weiterzutragen.

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