Konflikt zwischen Tuareg und Islamisten: Wüstenkrieg in Mali

Tuareg-Rebellen und Islamisten erobern Gebiete im Norden Malis. Mehr als 80.000 Menschen sollen bereits geflohen sein. Nun kam es offensichtlich zu einem Putsch.

Jugendliche protestieren in Bamako gegen die Reaktion der Regierung auf die Angriffe von Tuareg-Rebellen im Norden des Landes. Bild: dapd

BAMAKO taz | In Malis Hauptstadt ist an jeder Straßenecke zu lesen, wie es offensichtlich um den Norden des Landes bestellt ist. „Die Tuareg-Rebellion“ oder „Der Krieg im Norden“ – je nachdem, wie die Situation viele hundert Kilometer nordöstlich Bamakos gedeutet wird – füllt ganze Titelseiten. Sie hängen an den Zeitungsständern und flattern im Wind.

Gesprächsthema auf der Straße sind die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und der Rebellenarmee des Tuareg-Volkes MNLA (Nationale Befreiungsbewegung Azawad) aber nicht. Die Gräueltaten und Fluchtbewegungen sind weit weg.

Dabei spitzt sich die Lage jeden Tag weiter zu. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind bereits mehr als 80.000 Menschen aus dem Norden Malis in die Nachbarländer geflüchtet. Allein in Mauretanien würden jeden Tag 1.500 weitere Menschen ankommen, in Burkina Faso seien es 500. Ähnlich hoch dürfte noch einmal die Zahl der Menschen sein, die innerhalb Malis auf der Flucht sind. Anderen Schätzungen zufolge könnten es mittlerweile 200.000 Menschen sein, die ihre Heimat bereits verlassen haben.

Meuternde Soldaten sollen in Mali einen Staatsstreich gegen die Regierung verübt haben. Zuvor hatten sie den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Bamako gestürmt. Mehrere Minister sollen festgenommen worden sein, berichtete die Webseite "maliactu.net" am Donnerstag. Wo sich Präsident Amadou Toumani Toure derzeit aufhält, ist unklar.

Auch in der nördlichen Stadt Gao meuterten Militärs. Sie sollen mehrere hochrangige Offiziere als Geiseln genommen haben. Die Behörden von Mali wollten sich am Donnerstag im Fernsehen zu den Zusammenstößen äußern, hieß es.

Die Aufständischen werfen der Regierung vor, dass sie nicht genug Waffen für den Kampf gegen die Tuareg-Rebellen im Norden zur Verfügung stelle. In der Hauptstadt Bamako sollen den ganzen Mittwoch über Schüsse zu hören gewesen sein.

Das Präsidentenamt in Bamako hatte zuvor Berichte über einen Militärputsch dementiert. Deserteure und andere Militärangehörige, die nicht an die Front wollten, hätten gemeutert, erklärte ein Beamter des Präsidentenpalastes.

Am Dienstag äußerte sich nun auch der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) zur Lage im Norden. Während des Treffens in Bamako sagte Jean Ping, Präsident der AU-Kommission, man sei äußerst besorgt. Gleichzeitig forderte die AU die Tuareg-Rebellen auf, ihre Waffen abzugeben und einen Dialog mit der Regierung zu suchen. Die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) kündigte unterdessen an, Malis Armee mit Ausrüstung und Logistik unterstützen zu wollen – und bei möglichen Gesprächen zu vermitteln.

Seit den 90ern schwelt der Konflikt

Doch ob die Tuareg-Rebellen ausgerechnet jetzt zu Gesprächen bereit sind? Heftig entfacht sind die Kämpfe zwar erst Ende Januar. „Aber die ganze Problematik ist ja keine neue“, sagt Hamidou Konaté, Direktor des privaten Rundfunksenders Radio Jamana. Es ist ein schwelender Konflikt, der Anfang der 1990er Jahre mit der Forderung nach mehr Autonomie begann. Damals ließ sich der Tuareg-Aufstand ziemlich mühelos niederschlagen. Doch heute gelingt das nicht mehr, trotz vollmundiger Ankündigungen.

Denn Malis neue Rebellen sind weit besser ausgestattet als die vor 20 Jahren. Libysche Waffenbestände sind in der Sahelregion über die Grenzen gesickert, möglich ist auch, dass Teile der Einnahmen der Rebellen aus dem Drogenschmuggel stammen. Anders als in den 1990er Jahren halten sich auch radikalislamistische Kämpfer der AQMI (al-Qaida des Islamischen Maghreb) im Norden Malis auf und destabilisieren die Region zusätzlich. Malis Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré hat AQMI vorgeworfen, die Tuareg-Rebellen zu unterstützen.

Und am Dienstag meldete sich eine zweite Rebellengruppe zu Wort, die behauptete, ganz Nordostmali um die Stadt Tessalit zu kontrollieren: „Ancar Dine“ (Verteidiger des Islam) unter Führung des ehemaligen Tuareg-Rebellenführers Iyad ag Ghali. Diese Gruppe wolle ebenso wie die MNLA einen eigenen Staat im Norden Malis, allerdings einen islamischen, hieß es.

„Die Gewalt, die wir dort oben erleben, hat eine ganz neue Dimension bekommen“, sagt Hamidou Konaté. „Besorgniserregend ist auch, wie unsicher die ganze Gegend geworden ist.“ Das Problem würde aber auch bei der Regierung liegen. „Sie ist zu lax und hat die ganze Entwicklung nicht kommen sehen. Ihr fehlt einfach das Gespür.“

In diesem Zustand soll Mali am 29. April auch noch einen neuen Präsidenten wählen. Gleichzeitig wird ein Referendum durchgeführt. Die Wahl ist nur der Auftakt zu einem ganzen Abstimmungsmarathon, der sich über einige Wochen hinziehen wird. Und obwohl von Bamako aus die Flüchtlinge, Rebellen und illegalen Waffen weit weg scheinen, können sich immer weniger Menschen vorstellen, dass es logistisch überhaupt möglich ist, die Wahlen durchzuziehen – von Fairness und Transparenz ganz zu schweigen.

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