Kommentar zum Gipfel in Brüssel: Die Nato sollte sich auflösen

Es kann mehrere Interpretationen dessen geben, was beim Nato-Gipfel passiert ist. Aber keine davon stimmt zuversichtlich.

Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, r) unterhalten sich zu Beginn der Arbeitssitzung des Nordatlantikrates beim Nato-Gipfel.

Sind Zusammenkünfte wie diese unnötig? Foto: dpa

Dieser Nato-Gipfel war ein Schauspiel der besonderen Art. Es kann mehrere Interpretationen dessen geben, was da gerade in Brüssel passiert ist. Aber keine davon stimmt zuversichtlich. Die eine: US-Präsident Donald Trump hat wieder den Rüpel gespielt, die anderen haben das geschehen und ihn im Anschluss behaupten lassen, sein deutliches Auftreten habe sie alle umgestimmt.

Dabei ist in Wirklichkeit überhaupt nichts passiert. Die Gipfelerklärung war schon vorher fertig. In der steht in Sachen Militärfinanzierung nichts Neues. Trump lügt sich selbst und seiner Basis eine Erfolgsmeldung zusammen.

Die andere Interpretation: Was da in Brüssel passiert ist, wird als Wendepunkt der Nato in Richtung ihrer Auflösung in die Geschichte eingehen. Denn es ist deutlich geworden, dass die Führungsmacht nicht nur mit den europäischen Alliierten in essenziellen Fragen und Überzeugungen nicht mehr an einem Strang zieht, sondern sie im Gegenteil direkt bekämpft.

Beide Interpretationen schließen sich nicht aus. Sie können sich wunderbar ergänzen und führen zu dem einfachen Schluss: Ja, die Nato sollte sich auflösen. Ein Schritt, den sie schon nach dem Ende des Kalten Krieges hätte gehen sollen.

Fast 30 Jahre danach ist klarer denn je, dass den Bedrohungen des Weltfriedens schlicht nicht militärisch beizukommen ist. Im Gegenteil: Die schon 2014 beim Waliser Nato-Gipfel beschlossenen militärischen Ausgabensteigerungen gehen in die falsche Richtung.

Es heißt Abschied nehmen

Man kann nicht einerseits davon sprechen, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen, und zugleich immer mehr Geld in Aufrüstung stecken. Die USA geben zu viel Geld für das Militär aus, beklagte Trump in Brüssel. Da hat er Recht – aber es hat ihn niemand darum gebeten.

Wer seine außenpolitischen Initiativen nicht im Zweifel auch durch militärische Stärke oder die Drohung damit unterlegen könne, so eine Binsenweisheit, werde auf der Weltbühne nicht ernst genommen. Andersherum gilt allerdings auch: Wer außenpolitische Intervention stets ­militärisch denkt, wird die Welt nicht weiter- bringen.

Überall da, wo westliche Staatenbündnisse, mit oder ohne Nato-Beteiligung, in den letzten Jahren militärisch interveniert haben, haben sie politische Instabilität, millionenfachen Tod und immer mehr Fluchtursachen hinterlassen.

Wenn dann noch eine Regierung die anderen Mitgliedsländer in Geiselhaft nimmt, die sich von multilateraler Zusammenarbeit bei globalen Schicksalsfragen zurückzieht, heißt es Abschied nehmen von diesem Bündnis.

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