Kommentar über christliche Klinikbetreiber: Evangelikale Daseinsvorsorge

Mit der Übergabe des Betriebs einer Kreisklinik an christliche Fundamentalisten hat der Landkreis Schaumburg einen kolossalen Bock geschossen.

Ob Klinik ohne Abtreibung oder Schulen ohne Evolutionslehre: Christliche Fundamentalisten übernehmen gern den Betrieb. Foto: DPA

BREMEN taz | Ein Glück, dass es aufmerksame Journalistinnen in der Schaumburger Zeitung gibt! Sonst wäre dem Landrat Jörg Farr (SPD) nie aufgefallen, dass er einen kolossalen Bock geschossen hat: Seit Monaten verhandelt der Landkreis mit dem evangelikalen Klinik-Konzern Agaplesion über die Übergangstarife für die zwei kommunalen Kliniken, die mit dem alten Diakonischen Klinikum Bethel verschmolzen und vom Agaplesion-Konzern übernommen werden sollen.

Der Landkreis spendiert Agaplesion nicht nur 95 Millionen zum Neubau, sondern hilft auch beim Arbeitsplatzabbau. Nichts wie weg mit den kommunalen Kliniken, scheint die Parole gewesen zu sein. Agaplesion, ein von Baptisten gegründeter Klinik-Konzern, der inzwischen bundesweit über 20 Häuser verfügt, spart als gemeinnützige Gesellschaft nicht nur bei den Steuern, sondern auch bei den Löhnen. Statt des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVÖD) bekommen neu eingestellte MitarbeiterInnen in Zukunft nur TVDN, den Diakonie-Tarifvertrag Niedersachsens.

Der Landkreis sah sich von der Aufgabe der Gesundheitsvorsorge überfordert – finanziell und offenbar auch politisch. Hat sich denn niemand klargemacht, was es bedeutet, wenn man die medizinische Klinik-Versorgung in evangelikale Hände legt? In Rotenburg, wo Agaplesion die einzige Klinik am Ort betreibt, hätte man sich das anschauen können: Wer abtreiben muss, geht nach Bremen. Auch für die Frauen im Landkreis Schaumburg wird es nun heißen: „Geht doch nach drüben“, nach Minden in Nordrhein-Westfalen etwa.

Dass die staatlichen Verwaltungen sich von der Organisation der öffentlichen Daseinsvorsorge überfordert fühlen, ist nicht nur im Landkreis Schaumburg festzustellen. Es wäre an der Zeit, einmal gründlich zu untersuchen, woran das liegt – und Konsequenzen zu ziehen. Wenn der Landkreis keine Kliniken managen kann, wie mies managt er zum Beispiel die Schulen? Die Evangelikalen bieten sich an – sie können auch Schule. Und zwar billiger.

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