Kommentar de Maizières Asylvorstoß: Integration ist nicht zeitlich begrenzt

Wer mit Integration erst beginnt, wenn sich abzeichnet, dass die Flüchtlinge bleiben, vergeudet deren Zeit. Und die Chancen der ganzen Gesellschaft.

Flüchtlinge beim Deutschunterricht in der Zentrale der IG Metall

Nur wer in Deutschland eine Perspektive hat, wird sich rasch integrieren. Foto: dpa

Der Vorstoß von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wirkt wie ein fundamentaler Bruch in der Asyldebatte der letzten Monate. Bisher bestand bei den etablierten Parteien von Union bis Grünen Konsens, dass ein Großteil der Flüchtlinge auf Dauer in Deutschland bleiben wird. Dagegen betont der Innenminister jetzt, dass der Schutz in Deutschland nur „zeitlich begrenzt“ gewährt werden soll.

Sollte sich de Maizière durchsetzen, würde sich schnell auch die Rhetorik der Bundesregierung ändern, mit der sie um Akzeptanz für die Flüchtlinge wirbt. Bisher werden vor allem der Nutzen für die alternde deutsche Gesellschaft und die Chancen der Wirtschaft, die drohende Facharbeiterlücke zu schließen, herausgestellt. Wenn die Flüchtlinge jedoch bald schon wieder gehen sollen, schneidet man sich diese Argumentation ab. Flüchtlinge werden zur Last – die man aber nur vorübergehend tragen müsse. Vermutlich wird diese Änderung der Rhetorik den Rechtsradikalen nicht das Wasser abgraben; eher ist das Gegenteil zu befürchten.

Dass Asyl zunächst auf Zeit gewährt wird, ist nichts Neues. Schon heute kann das Asyl widerrufen werden, wenn sich die Lage im Herkunftsstaat dauerhaft bessert. Bisher wird dies bei den Syrern nach drei Jahren geprüft. De Maizière will erst nach sieben Jahren dauerhaften Aufenthalt gewähren.

Es besteht aber wenig Hoffnung, dass sich der Syrienkonflikt bald löst. Weder nach drei Jahren noch nach sieben Jahren. Die Lage in Afghanistan zeigt, wie lange sich ein solcher Bürgerkrieg hinziehen kann.

Es war deshalb nicht unnötig großzügig, sondern sehr realistisch, bei den syrischen Flüchtlingen sofort auf schnellen Spracherwerb und schnelle berufliche Qualifikation zu setzen. Wer damit erst nach einigen Jahren beginnt, wenn sich abzeichnet, dass eine Rückkehr unrealistisch ist, vergeudet die Zeit der Flüchtlinge und Chancen der ganzen Gesellschaft. Nur wer in Deutschland eine Perspektive hat, wird sich rasch integrieren.

Es sieht aus, als wolle de Maizière die Fehler der 60er Jahre wiederholen, als man Migranten als „Gastarbeiter“ bezeichnete, die bald wieder nach Hause gehen würden. Anerkannte Flüchtlinge sind aber mehr als nur Gäste: Sie sind Teil dieser Gesellschaft.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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