Kommentar Verurteilung Gotovina: Urteil mit fadem Beigeschmack

Das Urteil gegen den Ex-General Ante Gotovina bestürzt viele Kroaten. Seine Schuld auf eine Stufe mit den Verbrechen der Serben zu stellen, ist unverhätnismäßig.

Nicht nur die Veteranenverbände in Kroatien sind bestürzt über das Urteil des Den Haager Kriegsverbrechertribunals, sondern auch große Teile der demokratischen und linksliberalen Öffentlichkeit. Die 24 Jahre Haft für den kroatischen General Ante Gotovina stehen in keinem Verhältnis zu der Strafe für die serbisch-bosnische Ideologin des Völkermordes, Biljana Plavsic, die sich nach dem Krieg in Bosnien und Herzegowina zwar mit ihrem Präsidenten Karadzic überworfen hat, doch für zigtausendfachen Mord verantwortlich ist. Die Dame ist schon seit einigen Jahren wieder auf freiem Fuß.

Was hat Gotovina zu verantworten? In kroatischen Augen befehligte er die kroatischen Truppen kurz nach dem Massaker in Srebrenica 1995, bei dem 8.000 Menschen in Bosnien durch Serben ermordet worden sind. Gotovina gelang es, das Gebiet, das serbische Truppen 1991 erobert und von Nichtserben "gesäubert" hatten, zurückzuerobern. Fast 200.000 serbische Zivilisten flohen mit ihren Truppen aus dem Land.

323 zurückgebliebene Serben wurden nach dieser Militäraktion von zurückkehrenden kroatischen Zivilisten und Polizeikräften ermordet. Gotovina war da schon in Bosnien, um eine neue Militäraktion vorzubereiten. Zuständig war damals eigentlich der Polizeigeneral Cernak. Aber der wurde freigesprochen. Das sind Ungereimtheiten, die einem nicht nur in Kroatien aufstoßen.

Gotovina, der Exfremdenlegionär und Bankräuber, war vor seiner militärischen Karriere ein Krimineller. Wegen dieser Umstände stand er jedoch nicht vor Gericht. Auch der Mord an "nur" 323 Menschen ist nicht zu akzeptieren. Diese Morde waren militärisch gesehen sogar sinnlos. Die kroatische Aktion aber auf die gleiche Stufe wie das monströse serbische Verbrechen in Srebrenica zu stellen, wie es das Den Haager Gericht jetzt gemacht hat, ist unverständlich.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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