Kommentar Ungarns Grenzschließung: Pragmatische Lösungen

Dass Ungarn seine Grenze schließt, hat gravierende Folgen für die Nachbarländer. Am Schluss hat Griechenland den Schwarzen Peter.

Flüchtlinge stehen, sitzen und warten

Im Dorf Berkasavo am Sonntag an der serbisch-kroatischen Grenze. Foto: ap

Die Entscheidung der ungarischen Regierung, in der Nacht zum Samstag das letzte Schlupfloch durch die Grenzanlagen zu EU-Mitglied Kroatien für Flüchtlinge zu schließen, hat jetzt schon zu einem Rückstau mit Konsequenzen für die anderen Staaten geführt.

Indem die slowenische Regierung erklärte, auf der Alternativroute durch das EU- und Schengenland täglich nur 2.500 Flüchtlinge durchzulassen, brachte sie Kroatien dazu, die Grenze zu Serbien – erst einmal teilweise – zu sperren. Nicht-EU-Mitglied Serbien wird bald ebenfalls gegenüber Mazedonien reagieren, am Schluss hat Griechenland den Schwarzen Peter. Alle diese Länder wollen selbst keine Flüchtlinge aufnehmen.

Ungarns Regierungschef Orbán steht da nicht allein. In Kroatien werden die Flüchtlinge nur geduldet, wenn sie so schnell wie möglich weiterreisen. Dafür hat der Staat in den letzten Wochen sogar Busse und Eisenbahnzüge mobilisiert. Wenn die demokratische Reife einer Gesellschaft sich darin erweist, in Krisensituationen nach pragmatischen Lösungen zu suchen, dann hätte Kroatien die Probe nach außen hin bestanden.

In Wirklichkeit jedoch war die islamophobe Haltung weiter Teile der Bevölkerung nur dadurch einzugrenzen, indem man die Flüchtlinge nach Norden weiterreicht. Schon jetzt zeichnet sich bei den anstehenden Parlamentswahlen im November in Kroatien ein Rechtsruck ab. Die sozialdemokratische Regierung, die sich in ihrer Rhetorik an die deutschen Sprachregelungen anlehnt, wird angesichts der Entwicklung der letzten Tage weiter unter Druck geraten.

Wäre das erzkatholische Kroatien gezwungen, Muslime aus Syrien und Afghanistan auf längere Zeit durchzufüttern, hätte die bisher oppositionelle rechte Kroatische Demokratische Gemeinschaft HDZ bei den Wahlen leichtes Spiel, in großen Teilen des Landes die angesichts der wirtschaftlichen Krise gebeutelte Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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