Kommentar Studienerfolgsquote: Fragwürdige Reform

Die niedrige Absolventen-Zahl wird politisch unter den Tisch gekehrt. Dabei gehört die Frage, ob die Hochschulen gut sind oder nicht, auf die Tagesordnung.

Studenten verfolgen im Helmut Schmidt-Auditorium der Bucerius Law School in Hamburg eine Vorlesung.

Verlassen die Hochschulen häufig ohne Examen: Hamburger Studenten Foto: dpa

Sicher, ein Studienabbruch ist kein Beinbruch. Auch wenn junge Leute nur ein paar Semester Uni-Luft schnuppern und nachher etwas anderes machen, haben sie dort fürs Leben gelernt. Deshalb machen auch Studienaussteiger-Projekte wie Shift gewissen Sinn. Doch Hamburg hat sich offenbar an ein hohes Maß an Schwund gewöhnt, gibt sich geradezu lässig und unambitioniert. Hier geht es eben auch um vergeudete Lebenszeit und enttäuschte Hoffnungen.

Dass man die Studienerfolgsquoten steigern müsse, war lange Zeit ein Steckenpferd der Konservativ-Neoliberalen. Es diente als Argument dafür, die Hochschulen mit ihren Freiräumen abzuwickeln, und aus den Diplomstudiengängen mit zehn Semestern Regelstudienzeit zwei Kurz-Studiengänge zu machen: den Bachelor und den Master. Das sollte mehr Absolventen bringen. Nach dem Motto: Lieber den Bachelor in der Hand als die Taube auf dem Dach. Doch Ruhe zum Studieren bleibt da weniger, schon nach zwei, drei Semestern müssen sich Bachelor-Studierende die Zukunftsfrage stellen.

Dass nun so viele nicht an der Uni bleiben, wird einige Gründe haben. Verunsicherung, Neuorientierung, Angst vor der eignen Zukunft, scharfe Prüfungen, Überforderung, aber eben auch schlechte Studienbedingungen. Viele derer, die hier schnell wieder aufgaben, dürften unter den eher provisorischen Bedingungen der vom Bund bezahlten Sonderprogramme studiert haben. Und es ist ja bekannt: Weil der Hamburger Senat unbedingt die Schuldenbremse ziehen möchte, wurden die Hochschulen nicht auskömmlich finanziert. Demos gibt es keine mehr, denn Studienabbrecher sind nicht organisiert. Die Sorgen werden individualisiert und das Versagen ist auch schambesetzt.

Dass Uni-Leitungen Zielvereinbarungen ändern möchten, die sie eh nicht einhalten können, ist verständlich. Aber selbst Fachpolitiker im Parlament sagen, sie hätten davon nichts mitbekommen. Die Hochschulen und die Behörde dealen das unter sich aus. Das Thema ist entpolitisiert. Die Frage, ob die Uni gut ist oder nicht, wird auf abstrakte Exzellenz-Titel reduziert.

Darum gehört das Thema auf die Tagesordnung. Zu fragen ist, ob die Reform überhaupt hält, was sie versprach. Denn viele halten nicht mal den Spatz in der Hand.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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