Kommentar Seehofer und Bamf-Affäre: Mehr Redlichkeit und Präzision, bitte!

Dass der Innenminister der Bremer Bamf-Außenstelle vorerst verbietet, Asylanträge zu bearbeiten, ist richtig. Nun muss er für Qualitätskontrolle sorgen.

Beine eines Asylbewerbers, der auf dem Fensterbrett sitzt

Geflüchteten Menschen, die ihr Glück in Bremen suchten, ist kein Vorwurf zu machen Foto: dpa

Auch wenn es schwerfällt: Horst Seehofer verdient Lob. Dass der Bundesinnenminister der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Mi­gra­tion und Flüchtlinge (Bamf) bis auf Weiteres verbietet, Asylanträge zu bearbeiten, ist richtig. Seehofer sendet eine klare Botschaft: Der Staat handelt schnell und entschlossen, um Missstände abzustellen. Solche Signale sind wichtig, auch wenn sie die tiefer liegenden Ursachen erst mal nicht beheben.

Denn das, was in Bremen passierte, zerstört das Vertrauen vieler Menschen in den Rechtsstaat. Behörden erfüllen einen öffentlichen Auftrag, sie haben sich an das geltende Recht zu halten. Eine Amtsleiterin, die 1.200 Asylanträge ohne ausreichende Prüfung bewilligt, mag gutherzig oder schlicht überfordert sein. Dennoch handelt sie falsch. Solche Behördenfehler verstärken das bei diesem heiklen Thema sowieso große Misstrauen vieler Menschen. Sie spielen den Rechtspopulisten in die Karten.

Bei der Aufklärung der Affäre ist entscheidend, rational, redlich und genau vorzugehen. Ob Seehofer dazu in der Lage ist, muss er erst noch beweisen. Den geflüchteten Menschen, die ihr Glück in Bremen suchten, ist kein Vorwurf zu machen. Wer würde nicht in einer existenziellen Situation nach jedem dünnen Strohhalm greifen? Aber im auf Tempo getrimmten Bamf sind viele Reformen notwendig. Entscheidend wäre zum Beispiel, eine vernünftige Qualitätskontrolle einzuziehen – die Organisationen wie ProAsyl seit Jahren fordern. Nur käme dabei etwas anderes heraus als das, was sich die CSU wünscht.

Viele Entscheidungen des Bamf sind ja deshalb mangelhaft, weil sie Geflüchtete benachteiligen. Rund 40 Prozent der AsylbewerberInnen, die vor Verwaltungsgerichten klagen, bekommen Recht. Hier liegt ein weitaus bedeutenderer Skandal als der in Bremen, ohne dass er groß in der Öffentlichkeit thematisiert würde. Warum nur?

Auch das Spiel, das FDP und AfD im Moment aufführen, ist unwürdig. Angebliche Liberale und Rechtspopulisten gerieren sich Seit’ an Seit’ als Aufklärer, indem sie lautstark einen Untersuchungsausschuss fordern. Ihnen geht es aber nicht um die Bremer Fehler. Sie wünschen sich eine grell ausgeleuchtete Bühne, um einmal mehr gegen Merkels Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 zu polemisieren. Ein Untersuchungsausschuss aber soll nüchtern aufklären, er braucht einen klar zugeschnittenen Auftrag. Auch hier, bei der schärfsten Waffe des Parlaments, hilft Präzision. Es ist gut, dass sich die Grünen dieser Inszenierung verweigern.

Anders sähe es bei einem Untersuchungsausschuss aus, der sich tatsächlich mit der Bremer Bamf-Affäre beschäftigte. Ein solcher wäre angesichts der Wucht des Themas bedenkenswert. Aus Angst vor der AfD auf Aufklärung zu verzichten, ist auch keine Lösung.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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