Kommentar Russland und Ukraine: Putin und die Kettenhunde

Es liegt an Putin, ob es im Konflikt mit der Ukraine zum Krieg kommt. Er muss die Demagogen zügeln. Denn eine Eskalation wäre katastrophal – vor allem für die Russen.

Russische Truppen feiern die Nation. Bild: dpa

Die Demagogen im russischen Fernsehen haben die ukrainische Front schon vor langer Zeit eröffnet. Allabendlich machen sie sich auf den Vormarsch. Der Feind rückt demnach aus Westen heran. Seine Fratze ist faschistisch, seine Vorhut westukrainisch. Sein wahres Gesicht indes europäisch transatlantisch.

Es klingt nach Groschenroman ist aber dem staatlichen TV einer europäischen Kulturnation unter der Ägide eines Präsidenten entnommen, der sich anschickt, den Rest der Welt vor Werteverfall zu retten. Mit anderen Worten: der Antichrist steht vor den Toren Moskaus.

Dumaabgeordnete eilen auf die Krim, versprechen dortigen Russen Moskauer Pässe und rufen sie zum Aufstand auf. Daheim verkünden unterdessen Parlamentarier die Heimholung Zentralasiens ins Imperium. Es sind verirrte und irrende Kriegstreiber, die Schutz von höchster Stelle genießen.

Zu hoffen ist, dass sich die Verantwortlichen im Kreml ein Quäntchen Rationalität bewahrt haben und in der Lage sind, die Kettenhunde in Schach zu halten.

Einen militärischen Konflikt kann keiner wollen – schon gar nicht der Kreml. Nicht auszumalen, was ein neuer Krimkrieg an Blutzoll fordern würde. Schon das letzte Mal, im 19. Jahrhundert, hat sich das rückständige Zarenreich verzettelt.

Manchen russischen Heißspornen mag es danach verlangen, einen kurzen und erfolgreichen Feldzug zu führen wie 2008 gegen Georgien. Russland zwang den Gegner in die Knie, sah dabei aber alles andere als überzeugend aus.

Die Ukraine ist jedoch nicht das winzige Georgien mit seiner Operettenarmee. Kiew hält 200.000 Mann unter Waffen, zu denen im Ernstfall noch einige Hunderttausend dazu stoßen würden.

Hoch motivierte Partisanen

Hoch motiviert durch die endgültige Nationalstaatsbildung und die Chance der Rache für das ihrem Volk über die gemeinsamen Jahre zugefügte Leid. Allein der forcierte Hungertod in den 1930er Jahren unter Stalin kostete Millionen „Kleinrussen“ das Leben. Das kollektive Gedächtnis hat das nicht vergessen.

Der Kaukasuskonflikt wäre im Vergleich ein Aufstand im Kindergarten. Ein ukrainischer Partisanenkrieg dagegen ein Fleischwolf, der ungleich mehr Opfer fordern würde als der islamistische Terror.

Sollten Moskaus Soldaten dann noch begreifen, dass sie wieder einmal für die Interessen einer skrupellosen Clique in eine sinnlose Schlacht gegen Verwandte geschickt wurden, dann wäre der Kreml tatsächlich in Not. Zumal auch die Wirtschaftsentwicklung keine Geschenke mehr erlaubt.

Wladimir Putin sollte die Finger davon lassen und im Interesse des Selbsterhalts die ideologische Mobilmachung zurückfahren. Notfalls auch die Kettenhunde einschläfern.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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