Kommentar Russland und INF-Vertrag: Blender unter sich

Nach dem Ende des INF-Vertrages preisen russische Medien neue russische Wunderwaffen. Und nun? Eine andere Art von Diplomatie ist nötig.

Zuschauer, ein Denkmal und ein Panzer

Nicht schlecht gerüstet: Militärparade in St. Petersburg im Januar 2019 Foto: ap

Stolz berichten russische Medien am heutigen Samstag von einer neuen Waffe, die den russischen Seestreitkräften bald einsatzbereit zur Verfügung stehen werde. Mit dieser könne man feindlichen Soldaten vorübergehend das Sehvermögen nehmen. Erste Tests an Menschen hätten ergeben, dass diese neue Waffe künstliches Licht in den Augen der Betroffenen erscheinen lasse, das Halluzinationen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Verwirrung hervorrufen könne.

Nach der Aufkündigung des Rüstungskontrollvertrages INF durch die USA dürften derartige Erfolgsmeldungen der russischen Rüstungsindustrie bald an der Tagesordnung sein. Mit militaristischer Rhetorik werden die russischen Medien die eigene Aufrüstung untermalen, zu der sie Russland ja wegen Donald Trumps Entscheidung berechtigt sehen.

Nun kann auch Russland ungeniert lang gehegte militärische Wünsche umsetzen. Das Land will bei dem neuen Wettrüsten mithalten und eigene Akzente setzen. Neben der neuen optischen Waffe, die Menschen blenden kann, berichten russische Medien auch von neuen Ultraschallwaffen, gegen die die USA machtlos seien und einer geplanten Produktion eisenbahngestützter Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 5.000 Kilometern.

Russland will den INF-Vertrag zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen als Reaktion auf die Aufkündigung des Abkommens durch die USA aussetzen. Das kündigte der russische Präsident Wladimir Putin am Samstag einer Mitteilung des Kremls zufolge an. (dpa)

Die größtenteils staatlich kontrollierten russischen Medien werden nicht nur auf den äußeren Feind zielen. Die schon jetzt laufende Kampagne gegen unabhängige Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtler, die angeblich als ausländische Agenten in ein eigenes Register eingetragen sind, dürfte an Schärfe zunehmen.

Gewollt oder ungewollt: Mit ihrem Ausstieg aus dem INF-Vertrag stärken die USA den russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinem Land. Nun dürften dessen Zustimmungsraten wieder nach oben schnellen.

Gerade angesichts des Versagens der Diplomatie sollten Anstrengungen einer anderen Art von Diplomatie unternommen werden. Städtepartnerschaften, Zusammenarbeit mit russischen Menschenrechtsorganisationen wie Memorial oder Umweltschützern sollten auf einer unteren Ebene ein entspannteres Klima schaffen. Und so ganz nebenbei wäre eine derartige Zusammenarbeit auch ein Schutz derer, die als angebliche ausländische Spione in Russland zunehmend kriminalisiert werden.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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