Kommentar Reisen in die Diktatur: Hölle unter Palmen

Ein Traum: Europäer kommen zum Schnorcheln. Die Bewohner der Malediven leiden unter einer Diktatur, die einen gefährlichen Islamismus nährt.

Die Sonne hängt tief und gelb über dem Wasser, das ein Ferienressort auf den Malediven umgibt

Schattenreich und Sehnsuchtsort: Reisende sehen nur eine Seite der Malediven Foto: ap

Alle Ferntouristen werden schon von den Malediven gehört haben. Für Tauchfans gilt der kleine Inselstaat im Indischen Ozean gar als tropisches Paradies. Darunter verstehen sie aber weniger den muslimischen Staat mit 350.000 Einwohnern, von dem sie im Urlaub dort meist kaum etwas mitbekommen, sondern dessen exklusive Luxusresorts und die dazugehörige paradiesische Unterwasserwelt. Allenfalls der Klimawandel samt steigendem Meeresspiegel wird für den Tourismus als Gefahr wahrgenommen.

Für die von den Touristen auf ihren kleinen Inseln systematisch getrennten Bewohner besteht die Realität des Landes hingegen aus einer politischen Diktatur, die einen gefährlichen Islamismus hervorgebracht hat. Die Malediven gelten inzwischen als das Land, aus dem, gemessen an der Bevölkerungszahl, die meisten islamistischen Kämpfer nach Syrien gereist sind.

Die gestürzten demokratischen Kräfte, die von 2008 bis 2012 erstmals die Regierung in Malé gestellt haben, wurden dagegen inzwischen als „Terroristen“ verhaftet oder ins Exil getrieben. Für sie ist das Paradies, dessen Elite von den Touristen lebt, zur Hölle geworden.

Rund 100.000 Deutsche reisen pro Jahr auf die Malediven, die dieses Jahr auch Partnerland der Berliner Reisemesse ITB waren. Ein Boykott des Tourismus, von dem das Land hochgradig abhängig ist, würde die Menschen dort sehr hart treffen. Bereits heute suchen immer mehr junge Malediver ihre Zukunft außerhalb des Landes – und natürlich nur ein kleiner Teil davon in Syrien.

Abschottung der Touristen erleichtert Radikalisierung

Die strikte Trennung von Einheimischen und Touristen auf ihren jeweiligen Inseln gehört zu den Besonderheiten der Malediven. Diese Trennung erleichtert die Radikalisierung einheimischer Islamisten, weil sie außer Sichtweite der Touristen stattfindet. Umgekehrt geben sich die unbeobachteten Touristen ihrem Sundowner und dem Baden in leichter Bekleidung hin, was Islamisten auf die Palme treibt. Fraglich ist, wie lange diese Parallelwelten noch ungestört nebeneinander existieren können.

Die Malediven brauchen deshalb nicht weniger, sondern einen anderen Tourismus. Einen, der Fragen stellt, hinter die schöne, tropische Fassade schaut, sich wirklich für Land und Leute und ihre Menschenrechte interessiert. Dies fordert die maledivische Opposition schon seit einiger Zeit.

Die Forderung ist so nachvollziehbar wie utopisch. Touristen suchen in erster Linie Entspannung und nicht politische Diskussionen. Können Touristen einen politischen Beitrag leisten, ohne dabei gleich zu Aktivisten werden zu müssen, dürften viele einer anderen Reiseform nicht einmal abgeneigt sein.

Touristen aber suchen in erster Linie Entspannung und nicht politische Diskussionen

Aber Wahlmöglichkeit gibt es im Land der pauschal gebuchten abgeschiedenen Resorts meist nicht. Die Möglichkeit hätte es nur vorher im Reisebüro gegeben: mit der Alternative, Urlaub in einem anderen Land zu machen. Das aber stärkt nicht liberale Malediver, sondern nur die Perspektivlosigkeit.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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